© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/16 / 14. Oktober 2016

Der Unimog. Deutsche Tugenden auf vier Rädern: Das Lkw-Wunder wird siebzig
Der Kraftklotz
Christian Vollradt

Er mäht die Grünstreifen am Straßenrand und räumt im Winter den Schnee, er steht im Feuerwehrhaus um die Ecke, dient beim Katastophenschutz oder durchpflügt den Wüstensand in den entlegensten Winkeln dieser Erde: der Unimog. Diese automobile Kreuzung aus Arbeitspferd, Packesel und Bergziege – vor siebzig Jahren „geboren“ – gilt damit nicht zu Unrecht als das vielseitigste aller Nutzfahrzeuge. Etwas wie ihn gibt es kein zweites Mal, ein Stück deutscher Industrie- und Erfolgsgeschichte.? 

Dabei verdankt der Unimog seine Existenz der Not und Entbehrung nach dem Krieg. Albert Friedrich, einst Flugzeugmotorenentwickler bei Daimler-Benz, sah, wie in der Landwirtschaft hart von Mensch und Tier geackert werden mußte. Der Ingenieur erinnerte sich an die starken und schnellen Schlepper auf den Flugplätzen der Luftwaffe. So etwas bräuchten die Bauern: eine Maschine zum Bestellen der Felder, mit der man aber auch die Ernte zügig zum Markt bringen kann. Gemeinsam mit dem Fabrikanten Eduard Köhler ging Friedrich ans Werk. Die amerikanische Besatzungsmacht mußte vom rein zivilen Charakter des Fahrzeugs überzeugt werden. Nicht zuletzt deshalb entsprach dessen Spurweite genau der Breite zweier deutscher Kartoffelreihen: 1.270 Millimeter. 

Vor siebzig Jahren, im Oktober 1946, brach dann das erste „Universal Motor Gerät“, kurz Unimog, zur Testfahrt an den Berghängen bei Schwäbisch Gmünd auf. Mit seiner kleinen Ladefläche war es mehr als ein Traktor; Zapfwellen für Anbaugeräte vorne, hinten und in der Mitte unterschieden es vom reinen Lkw. Was es schon damals auszeichnete, ist bis heute charakteristisch: vier gleich große Räder, Allradantrieb und Schraubenfedern. Ausgerechnet die friedliebende Schweiz entdeckte zuerst das militärische Potential des Unimog. Ein eidgenössischer Oberst soll – mit Schokolade – die Schwaben bestochen haben, ihm fünfzig Exemplare zu verkaufen; die dann, unbemerkt von den Amerikanern, in Tarnanstrich über die Berge kraxelten. Die Bundeswehr war später ein Hauptabnehmer, minengeschützt unter dem Namen „Dingo“ dient der Unimog deutschen Soldaten auch heutzutage im Auslandseinsatz. 

?Seit 1951 fertigt Daimler-Benz den Fast-Alleskönner, zunächst in Gaggenau, seit 2002 in Wörth. Unschlagbar geländegängig – Steigungen bis 110 Prozent, Verwindungen bis 50 Zentimeter, Wattiefe von über einem Meter sind machbar – ist der Unimog vor allem durch seine Portalachsen: Normale Achsen führen zur Mitte der Räder. Beim Unimog liegen sie oberhalb der Radmitte an und sind durch ein „Vorgelege“ mit ihnen verbunden. Das gibt jede Menge Bodenfreiheit. 

Dreißig Baureihen mit fast 300 Baumustern gibt es vom Unimog bis heute. Sie machen den Veteranen alterslos, an Ruhestand ist nicht zu denken. Was würde man ihm in seiner schwäbischen Geburtsstätte zum Jubiläum wohl wünschen? „Schaff’ no’ schön weiter, Moggele!“