© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/16 / 14. Oktober 2016

Überbordende Temperamente
Großbritannien: Die Unabhängigkeitspartei Ukip ist seit dem erfolgreichen Brexit-Referendum in einer Führungskrise / Steven Woolfe oder Bill Etheridge?
Josef Hämmerling

Die britische Unabhängigkeitspartei Ukip kommt nicht zur Ruhe. Nach nur 18 Tagen trat Diane James vom Amt der Parteiführerin zurück. Die 56jährige EU-Abgeordnete – eine von 22 Ukip- Abgeordneten und 73 Briten insgesamt im Europaparlament – begründete ihren Schritt damit, sie habe weder die nötige Autorität noch die vollständige Unterstützung, um notwendige Veränderungen in der Partei durchzusetzen.

Diese seien aber notwendig, um Ukip den nach dem Brexit den geänderten politischen Rahmenbedingungen in Großbritannien anzupassen. Nachdem die 1993 gegründete Ukip ihr Hauptziel – die Einleitung des britischen EU-Austritt – erreicht hatte, war die Partei mit ihren 39.000 Mitgliedern in eine Krise geraten. Diese wurde noch verschärft, als ihr charismatischer Führer Nigel Farage zurücktrat (JF 33/16). Er habe sein Ziel erreicht und wolle sich nunmehr seinem Privatleben widmen, verkündete der 52jährige Chef der EU-Fraktion Europa der Freiheit und der direkten Demokratie (EFD) bald nach dem erfolgreichen Brexit-Referendum.

Der Favorit für seine Nachfolge, der 59jährige Steven Woolfe, wurde von der Wahl ausgeschlossen, nachdem seine Bewerbungsunterlagen angeblich 17 Minuten zu spät beim Wahlausschuß eingingen. Parteiintern gilt als einer der Hauptgründe für den James-Rückzug, daß Umfragen zufolge nur acht Prozent aller Briten sie kannten – zuwenig, um die zu den Konservativen abgewanderten Ukip-Wähler zurückzugewinnen. Und: Weil James ihre Wahl noch nicht bei der britischen Wahlkommission angezeigt hatte, ist Farage auch weiterhin Ukip-Führer. Er erklärte sich auch bereit, dieses Amt bis zur Wahl des neuen Parteiführers kommissarisch zu übernehmen.

Handfeste und verbale Auseinandersetzungen

Der Wirtschafts- und Migrationsexperte Woolfe ist nun erneut Favorit für den Posten. Aber auch diesmal geriet der EFD-Abgeordnete wieder in Turbulenzen: Woolfe gab nämlich an, nach einer verbalen Auseinandersetzung mit dem 63jährigen Fraktionskollegen Mike Hookem von diesem niedergeschlagen worden zu sein. Hookem wies dies zurück und behauptete, Woolfe habe das Bild getürkt, das ihn niedergeschlagen auf dem Hallenboden zeigt. Er kündigte an, seinen Parteifreund verklagen zu wollen, wenn dieser den ganzen Vorfall nicht aufklären würde.

Der Wehrexperte Hookem gehört zu den Hauptkritikern Woolfes, nachdem dieser nur zwei Tage vor Bekanntgabe seiner Kandidatur in der britischen Presse noch erklärt hatte, die Ukip verlassen zu wollen. Zwar gab Hookem zu, daß es zwischen ihnen zu einer Rangelei gekommen wäre, aber nicht zu mehr. Woolfe, der nach zwei Tagen aus dem Krankenhaus entlassen worden war, erklärte, seine Krankenakte beweise die Ernsthaftigkeit seiner Verletzungen und die Ohnmacht nach den Schlägen.

Inzwischen erklärte auch Bill Etheridge aus den West Midlands seine Kandidatur. Der 46jährige Ex-Tory und Gegner jeder „Political Correctness“ ist seit 2014 EU-Parlamentarier – aber umstritten, weil er im August 2014 in einer Rede vor der Ukip-Jugendorganisation erklärt hatte, Adolf Hitler sei der „vermutlich magnetischste und kraftvollste Redner der Geschichte“ gewesen. Eigentlich hatte Etheridge Woolfe unterstützt, doch dessen „überbordendes Temperament“ mache ihn für den Spitzenposten ungeeignet. Noch gibt es keinen Termin für die Neuwahl, mit der Einberufung des notwendigen Sonderparteitags wird aber bald gerechnet.

United Kingdom Independence Party:  www.ukip.org