© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/16 / 14. Oktober 2016

Ein Ende der Geldschwemme ist nicht in Sicht
Parteinahe Stiftungen, parteiische Bildungsarbeit: Bald 500 Millionen von Bundesministerien
Christian Schreiber

Sollte die Alternative für Deutschland im kommenden Jahr in den Deutschen Bundestag einziehen, werden sich viele Menschen die Frage stellen, ob die Partei damit als etabliert gilt. Die Parteiführung muß darauf auch eine Antwort geben. Denn schließlich geht es um viel Geld. Als die AfD im Frühjahr 2013 das politische Parkett betrat, schimpften viele ihrer Gründungsfunktionäre über die „Geldvernichtung der Altparteien“. Ziemlich überraschend und in einer eher kurzen Meldung gab die Partei rund zwei Jahre später – damals noch unter Führung von Bernd Lucke – bekannt, daß sie eine eigene Stiftung mit dem Namen „Erasmus“ gegründet habe. Es gab einen kurzen öffentlichen Aufschrei ob der Namensgebung, und einige Juristen meldeten Zweifel bezüglich der Zulässigkeit des Unterfangens an. Seitdem ist es ruhig um die Erasmus-Stiftung geworden, die noch keine Aktivitäten entfaltet hat. Doch das Thema hat es in sich und dürfte im Herbst 2017 an Fahrt aufnehmen.

Eine gesetzliche Regelung gibt es nicht

Alle im Bundestag vertretenen Parteien unterhalten nämlich eigene Stiftungen. Zudem gibt es in den Ländern zahlreiche Einzeleinrichtungen. „Die Politischen Stiftungen in Deutschland sind wichtige Institutionen der politischen Bildung. Obwohl sie ihre Bildungsarbeit an den politischen Grundwerten der ihnen nahestehenden Parteien ausrichten, gehören sie zu den sogenannten freien Trägern, sind damit unabhängig“, schreibt die Bundeszentrale für politische Bildung, die die Einrichtungen als „parteinah“ bezeichnet.

Doch dies ist nur ein Teil der Wahrheit. In den Vorstandsetagen der Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) beispielsweise finden sich ebenso prominente Parteifunktionäre wie bei der sozialdemokratischen Friedrich-Ebert-Stiftung. Auch FDP-Chef Christian Lindner sitzt in einem Führungsgremium der Friedrich-Naumann-Stiftung. Dort ist die Nervosität derzeit groß.

Die FDP, seit der Bundestagswahl 2013 im Bund außerparlamentarisch, ist dringend darauf angewiesen, im Herbst nächsten Jahres wieder in den Bundestag einzuziehen. Denn der Staat verzeiht keinen dauerhaften Mißerfolg. Verfügt eine Partei über eine ihr nahestehende Stiftung, so läuft deren Finanzierung bei einer Abwahl aus dem Bundestag nur eine Legislaturperiode weiter. „Scheidet eine Partei aus dem Deutschen Bundestag aus, sollte die ihr nahestehende Politische Stiftung mindestens für die Dauer einer Wahlperiode den Anspruch auf Zuteilung von Globalzuschüssen behalten“, heißt es in einer schon 1998 verabschiedeten Erklärung der damals im Bundestag vertretenen Parteien. Eine gesetzliche Regelung gibt es bislang nicht. Die Zuwendungen der Stiftungen resultieren aus Beratungen der Parteien. Und dort herrscht über alle Parteigrenzen hinweg Einigkeit. So kassiert die Friedrich-Naumann-Stiftung weiterhin jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag, obwohl die FDP nicht mehr im Bundestag sitzt.

Finanziert werden die Stiftungen durch Mittel des Bundesministeriums des Innern (BMI), des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie durch Spenden. Anlaßbezogen können Gelder auch von anderen Ressorts bewilligt werden. Ein Blick auf die Internetseite der Adenauer-Stiftung spricht Bände. Mehr als 96 Prozent ihrer Einnahmen stammt aus staatlichen Zuwendungen. Dafür betreibt die Organisation christdemokratische Lobbyarbeit und dient unter anderem als Auffangbecken für abgewählte Politiker.

Mehrfach schon beschäftigte sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Finanzgebaren der Stiftungen, bisher winkten die Karlsruher Richter den Status quo immer durch. „Die Zuwendungen des Bundes an die Politischen Stiftungen stiegen von 295 Millionen Euro im Jahr 2000 um 42,5 Prozent auf 421 Millionen Euro im Jahr 2010“, bilanziert der Bundesrechnungshof.

„Ohne genau zu wissen, was damit gemacht wird“

Und ein Ende der Geldschwemme ist nicht in Sicht. Im Jahr 2013 war die Summe auf 435 Millionen Euro erhöht worden, und für 2014 waren 464 Millionen Euro schon eingeplant. Spätestens 2017 könnte die „Schallmauer“ von 500 Millionen Euro durchbrochen werden. Dies ist vor allem dann wahrscheinlich, sollten FDP und AfD den Einzug in den Bundestag schaffen.

Gerade für die Liberalen steht viel auf dem Spiel. Die Naumann-Stiftung beschäftigt rund 200 Mitarbeiter in neun Büros in Deutschland und 45 im Ausland. Chef der Naumann-Stiftung ist der ehemalige Bundesminister und FDP-Chef Wolfgang Gerhardt. Der Polit-Vorruheständler spricht von „wichtiger Bildungsarbeit“ und von „wichtigen demokratischen Prozessen“, die seine Stiftung leiste. Doch die genauen Hintergründe bleiben unklar. „Der Steuerzahler gibt den Politischen Stiftungen rund eine halbe Milliarde Euro, ohne zu wissen, was genau damit gemacht wird. Hier ist mehr Transparenz nötig“, sagte Reiner Holznagel, Präsident des Bun des der Steuerzahler, der Tageszeitung Die Welt: „Wir brauchen ein Gesetz, das die Höhe der Zuwendungen klar regeln muß.“

Offiziell betonen die Parteien immer, daß ihre Stiftungen keinem Einfluß durch Gremien unterliegen. Doch dies ist eine beschönigte Darstellung. „Die Stiftungen betreiben die politische Bildung im Inland. Das bedeutet insbesondere, daß sie Parteimitglieder schulen, daß sie Ratsmitglieder ins kommunale Haushaltsrecht einführen“, erklärt Martin Morlok, der Direktor des Instituts für deutsches und internationales Parteienrecht und Parteienforschung in Düsseldorf.

Die Mittel für diese Schulungen stammen pauschal aus dem Innenministerium. Zusätzlich vergeben alle Stiftungen auch Stipendien, die über Studienförderungswerke organisiert werden. Diese Mittel kommen aus den Töpfen des Bildungsministeriums.

Morlok verteidigt die Arbeit der Stiftungen und verweist auf ihre Arbeit im Ausland. „Das ist ein wichtiger Teil, auch ein erfolgreicher Teil der Außenpolitik, wenn man die Vergangenheit ansieht. Das ist Basisarbeit vor Ort, und es ist sinnvoll, daß das Auswärtige Amt dies finanziert.“

Als eingetragene Vereine ohne Offenlegungspflicht

Die Antikorruptions-Organisation Transparency International sieht dies allerdings anders. „Es muß einen Finanzierungsbericht für den gesamten Politikbetrieb geben, in dem die Rechenschaftspflicht von Parteien und den ihnen nahestehenden Organisationen einheitlich geregelt wird“, heißt es in einer Erklärung. In dem Bericht sollten sämtliche Zahlungen des Staates an Parteien, Fraktionen und Stiftungen enthalten sein. „Nur so läßt sich eine Umschichtung der staatlichen Mittel hin zu den jeweils relativ am wenigsten transparenten Organisationen verhindern“, teilt der Verein mit.

Ein großes Problem bei der Transparenz ist der rechtliche Status der parteinahen Stiftungen. Der Rechtsform nach sind parteinahe Einrichtungen bis auf wenige Ausnahmen keine Stiftungen im eigentlichen Sinne des Bürgerlichen Rechts (JF 26/16), sondern eingetragene Vereine, die keiner staatlichen Aufsicht oder Offenlegungspflicht unterworfen sind. Die Stiftungen sind somit undurchsichtig. „Die Fördermittel werden als einfache Haushaltsposten festgelegt, wir haben hier ein riesiges Transparenzproblem“, erklärt der Rechtswissenschaftler Hans Herbert von Arnim gegenüber der Wirtschaftswoche. Er hält die Stiftungsfinanzierung in ihrer jetzigen Form für verfassungswidrig.

„Das ist eine verdeckte Parteienfinanzierung. Die Parteipolitiker haben deshalb natürlich ein eigenes Interesse an der Arbeit der Stiftungen.“ Doch Klagen dagegen waren bisher erfolglos. Zuletzt versuchte es die bürgerlich-konservative Partei ÖDP. „Das ist ein finanzieller Wildwuchs, der aufhören muß. Es gibt hier weder ein Gesetz noch ausreichende Kontrolle“, argumentierte Generalsekretär Claudius Moseler vor Gericht. Seine Partei fühlte sich benachteiligt, wollte auch ein Stück vom großen Kuchen. Doch das Verfassungsgericht hält die Zuwendungen für gerechtfertigt. Man habe bereits 1986 entschieden, daß hier Chancengleichheit bestehe, indem nur im Parlament vertretenen Parteien die Möglichkeit gegeben ist, eine Stiftung zu unterhalten. Die übergangsweise Finanzierung einer nichtparlamentarischen Partei wie derzeit im Fall der FDP sei legitim, weil es die Kontinuität der Arbeit sicherstellen würde.

Auch die personelle Verzahnung von Bildungswerk und Mutterpartei fand in Karlsruhe keinen Anstoß. Die von den Parteien getroffenen Regelungen seien in dieser Hinsicht ausreichend: „Die Vertretungsorgane der Politischen Stiftungen bestehen nicht vornehmlich aus in hervorgehobener Stellung aktiv tätigen Parteimitgliedern“, heißt es dort schwammig. Für ehemalige Spitzenfunktionäre gilt dies allerdings nicht. So wird nicht nur die FDP-nahe Stiftung von einem ehemaligen Parteivorsitzenden geführt. Auch die Friedrich-Ebert-Stiftung hat mit Kurt Beck den einstmals wichtigsten Sozialdemokraten auf den Chefsessel gehoben. Die Adenauer-Stiftung wird von Hans-Gerd Pöttering geführt, dem ehemaligen Präsidenten des EU-Parlaments, der mehr als ein Jahrzehnt auch dem höchsten CDU-Gremium angehörte. An der Spitze der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die als Vorfeldorganisation der Linkspartei dient, steht deren ehemalige Parlamentarische Geschäftsführerin Dagmar Enkelmann. Und auch die Alternative für Deutschland beabsichtigt, ihre Erasmus-Stiftung mit einem verdienten Parteifunktionär zu bestücken. Konrad Adam, einer der Gründungsvater und ehemaliger Vorstandssprecher, wurde zum Vorsitzenden gewählt. Daran, daß die AfD auf das Stiftungsprivileg verzichten wird, glauben in Berlin nur wenige.

Und daß die etablierten Parteien einen AfD-Einzug in den Bundestag zum Anlaß nehmen könnten, den rechtlichen Rahmen zu verändern, ist ebenfalls unwahrscheinlich. So wurde nach der deutschen Einheit auch die PDS beziehungsweise ihr Rechtsnachfolger von der Linkspartei freundschaftlich in den Schoß der staatlichen Stiftungsfinanzierung aufgenommen. Vor zwei Jahren gönnte sich die Luxemburg-Stiftung eine neue Zentrale. Kostenpunkt: 20,4 Millionen Euro. Bezahlt wurde dies vom Bund. Beschlossen mit den Stimmen der Haushaltspolitiker von CDU und FDP.

Rosa-Luxemburg-Stiftung

Vorsitzende der parteinahen Stiftung der Partei Die Linke ist die frühere parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion der Linken im Bundestag Dagmar Enkelmann. 

Friedrich-Ebert-Stiftung

Vorsitzender der parteinahen Stiftung der SPD ist der frühere Landesvorsitzende der SPD Rheinland-Pfalz Kurt Beck, der auch SPD-Bundesvorsitzender war.

Konrad-Adenauer-Stiftung

Vorsitzender der parteinahen Stiftung der Christlich-Demokratischen Union ist das frühere Mitglied des CDU-Präsidiums und des CDU-Bundesvorstands Hans-Gert Pöttering.

Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Vorstandsvorsitzender der parteinahen Stiftung der FDP ist der frühere Bundesvorsitzende der Partei Wolfgang Gerhardt.

Hanns-Seidel-Stiftung

Vorsitzende der parteinahen Stiftung der CSU ist mit Ursula Männle die frühere Bayerische Staatsministerin für Bundesangelegenheiten. Männle war 20 Jahre Mitglied im Präsidium der CSU.

Erasmus-Stiftung

Vorsitzender der parteinahen Stiftung der AfD ist der Publizist Konrad Adam, der die Partei mitgründete und einer ihrer Bundessprecher war.