© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/16 / 14. Oktober 2016

Genossen mit Schmiß
Ein Sammelband über die Korporierten in der SPD
Christian Vollradt

Als „Sozi mit drei Schmisse ins Jesicht“ stehe es um seine Karrierechancen in der Partei nicht gerade günstig, soll Georg Diederichs Anfang der fünfziger Jahre resigniert festgestellt haben. Das war in der Arbeiterpartei wohl zutreffend, wurde mit dem langsamen Wandel der SPD zur Volkspartei allerdings widerlegt: Der studierte Pharmazeut und Volkswirt brachte es 1961 zum niedersächsischen Ministerpräsidenten – die äußerlichen Hinterlassenschaften seiner zahlreichen Mensuren beim Corps Hercynia Göttingen standen dem nicht im Wege. 

Dennoch ist, wer Mitglied sowohl einer studentischen Verbindung als auch der SPD ist, immer noch ein doppelter Exot: Mehr oder weniger belächelt von der eher zu den bürgerlichen Parteien neigenden Mehrheit unter den Korporierten einerseits, mißtrauisch beäugt oder bisweilen sogar hart angegangen von den eigenen Genossen, vor allem im äußert linken akademischen Milieu der Juso-Hochschulgruppen. Die waren es auch, die in der Partei mit Unvereinbarkeitsbeschlüssen gegen die Couleurstudenten in den eigenen Reihen zu Felde zogen. 2006 gründete sich als Reaktion darauf der „Lassalle-Kreis“, ein Netzwerk sozialdemokratischer Korporierter, benannt nach dem berühmten Parteigründer und Burschenschafter Ferdinand Lassalle. 

„Rote Fahnen, bunte Bänder“ heißt ein Sammelband, den einige Mitglieder dieses Kreises nun herausgebracht haben. Verschiedene Diskussionsbeiträge und vor allem einige Porträts sozialdemokratischer Verbindungsstudenten gehen dem spannungsreichen Verhältnis von SPD und Korporationen nach. Sehr passend leitet ein Aufsatz des Historikers Peter Brandt über das „Erbe der Urburschenschaft“ in das Thema ein, während die Qualität der Lebensbilder eher durchwachsen und die Relevanz einiger in dieser „Ahnengalerie“ fraglich ist. Andererseits fehlen etwa der im KZ Buchenwald umgekommene Widerstandskämpfer Rudolf Breitscheid (Arminia Marburg) oder der SPD-Renegat Paul Lensch (Arminia Straßburg). 

So dient dieser Band in erster Linie dem überschaubaren Kreis der Genossen mit bunten Bändern zur Selbstvergewisserung. Studentenhistorisch Interessierten bietet er dagegen wenig Neues.

Manfred Blänkner, Axel Bernd Kunze (Hrsg.): Rote Fahnen, bunte Bänder. Korporierte Sozialdemokraten von Lassalle bis heute. J.H. Dietz Verlag, Bonn 2016, broschiert, 320 Seiten, 22,90 Euro