© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/16 / 14. Oktober 2016

Knapp daneben
Sozialneid trübt den Blick
Karl Heinzen

Finanzbeamte gelten zu Unrecht als knöcherne Bürokraten. In Wahrheit ist es eine ausgeprägte Sensibilität, die sie ihren Beruf ergreifen läßt. Sie fürchten den Konkurrenzdruck, der in der Welt da draußen herrscht. Daher haben sie keine Vorstellung davon, welchen Aufwand Geschäftsleute treiben müssen, um sich im harten Wettbewerb zu behaupten. Diese Ignoranz bekam auch ein Zahnarzt aus Baden-Württemberg zu spüren, der um die steuerliche Anerkennung seiner Dienstfahrzeuge rang. Auf seinen Laborbetrieb sind ein Ferrari und ein Porsche zugelassen. Die Praxis begnügt sich mit einem Mercedes. Auf Privatfahrzeuge verzichtet er ganz, wahrscheinlich will er damit ein Zeichen gegen den Klimawandel setzen.

Anstatt dies zu würdigen, weigerte sich das Finanzamt, jene 50.000 Euro, die für den Kauf des Ferraris an Umsatzsteuer anfielen, komplett als Vorsteuer anzuerkennen, da das Fahrzeug zu selten genutzt worden sei. Auch bezweifelte es den dienstlichen Zweck der Fahrt zu einem Autorennen, obwohl der Zahnarzt beteuerte, dort Patienten umworben zu haben.

Alle Kosten, die beim Erholen entstehen, müßten auch als berufsbedingte Aufwendungen anerkannt werden.

Es verwundert nicht, daß sich das Finanzgericht Baden-Württemberg nun der Auffassung der Steuerbehörde angeschlossen hat. Aber auch das Urteil der Justiz kann durch Sozialneid getrübt werden. Richter mögen ihr Leben lang noch so viel sparen. Einen Ferrari werden sie sich nie leisten können. Wer jedoch Reiche als Kunden gewinnen will, muß durch derartige Statussymbole signalisieren, daß er in ihrer Liga spielt. Absurd ist es zudem, zwischen dienstlichen und privaten Zwecken zu unterscheiden, wird damit doch unterstellt, daß es in unserem Leben noch eine Sphäre gäbe, die frei von der Erwerbsabsicht wäre.

Die Realität sieht anders aus. Wenn wir essen, schlafen, uns in der sogenannten Freizeit vergnügen oder in den Urlaub fahren, tun wir dies, um unsere Arbeitskraft zu regenerieren. Alle Kosten, die dabei entstehen, müßten daher konsequenterweise auch als berufsbedingte Aufwendungen anerkannt werden. Diese Gerechtigkeitslücke sollte den Fiskus mehr beschäftigen als die Frage, wie er einen Ferrarifahrer drangsalieren kann.