© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/16 / 21. Oktober 2016

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Ohne ständige Vertretung?
Peter Möller

Nichts ist so langlebig wie ein Provisorium. Die Aufteilung der Bundesministerien zwischen Bonn und Berlin bestätigt diese Weisheit seit bald zwei Jahrzehnten. Die Tatsache, daß noch sechs der 14 Ministerien ihren Hauptsitz in Bonn haben und in Berlin lediglich mit Dependancen vertreten sind, ist nicht etwa fachlich begründet, sondern Ergebnis eines Anfang der neunziger Jahre erzielten politischen Kompromisses. Seitdem wurde die Aufteilung ebenso regelmäßig wie folgenlos in Frage gestellt. Doch nun gibt es Anzeichen für ein grundsätzliches Umdenken.

Denn in der vergangenen Woche legte Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) erstmals einen Bericht über die Effektivität der Aufteilung der Ministerien vor. Ergebnis: Die doppelten Dienstsitze erschwerten die Arbeit der Regierung. Zwar würden die Aufgaben vollständig und fristgerecht erfüllt. „Allerdings wird die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung hier durch einen erheblichen Mehraufwand und damit auf Kosten der Effizienz aufrechterhalten“, heißt es in dem Bericht. Derzeit arbeiten von knapp 20.000 Beschäftigten in den Ministerien 64 Prozent in Berlin und 36 Prozent in Bonn.

Anfang der neunziger Jahre hatten die Verantwortlichen die Zukunft in den schönsten Farben ausgemalt. Die Botschaft lautete: Aufgrund des technischen Fortschritts spiele es keine Rolle, ob die Mitarbeiter der Ministerien alle in derselben Stadt arbeiteten. Viel war damals von Videokonferenzen, Bildtelefonen und Multimedia-Übertragungen die Rede. Ein Blick in die Statistik spricht indes eine andere Sprache: 2015 gab es rund 20.700 Dienstreisen zwischen Bonn und Berlin. Keine noch so aufwendige technische Unterstützung könne die persönliche Anwesenheit etwa in einer Besprechung ersetzen, verdeutlichte Hendricks. Kosten für den Steuerzahler in diesem Jahr: rund 7,5 Millionen Euro.

Die von Hendricks vorgelegten Ergebnisse überraschen im politischen Berlin niemanden. Die Aufteilung war immer als Notlösung angesehen worden. Schon 1993 schrieb der Spiegel von einem „Planungskrampf“, der keinen Bestand haben könne, und zitierte die damalige Bauministerin Irmgard Schwaetzer (FDP): „Daß es so nicht kommen kann, war schon am Abend klar, als es im Bundestag vereinbart wurde.“ Ihre Amtsnachfolgerin Hendricks setzt derweil ihre ganz eigenen Signale. 

Noch bevor der Bericht über den geteilten Regierungssitz veröffentlicht wurde, bestätigte ein Sprecher des Bauministeriums umfangreiche Baupläne in Berlin. Das auf drei Standorte in Berlin verteilte Ministerium soll in einem Gebäudekomplex neben dem Berliner Abgeordnetenhaus zusammengeführt werden. „Wir verfolgen ausschließlich das Ziel, die Berliner Mitarbeiter an einem Dienstsitz zu vereinen“, wehrte der Sprecher Fragen nach einem Umzug der noch in Bonn verbliebenen Mitarbeiter ab. Unausgesprochen blieb dabei, daß die freiwerdenden Gebäude des Ministeriums sehr wohl dazu genutzt werden dürften, Beamte anderer Ressorts aus Bonn an die Spree zu holen. Fazit: Der Komplettumzug hat längst begonnen.