© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/16 / 21. Oktober 2016

Jetzt haben sich alle lieb
Parteinachwuchs: Die Junge Union verzichtet auf ihrem Deutschlandtag diesmal auf Kritik an Merkel / Kurzfristige Absage des österreichischen Außenministers
Hinrich Rohbohm

Es gibt Termine, die für die Bundeskanzlerin nicht gerade zu den beliebtesten zählen. Dazu gehört auch der Deutschlandtag der Jungen Union (JU). Mit dem gemeinhin etwas konservativer als die Mutterpartei geltenden CDU-Nachwuchs lag Angela Merkel noch nie so richtig auf einer Wellenlänge. Entsprechend lust- und lieblos fielen dann zumeist ihre Reden aus. Nicht so dieses Mal. 

Die CDU-Chefin erscheint pünktlich in der Schützenhalle von Paderborn, wirkt entspannt, konzentriert und aufgeräumt. Und sie nimmt sich Zeit wie selten für die JU. Selbst auf Fragen der Delegierten geht sie ausführlich ein. Kein „Die Kanzlerin muß jetzt gleich weiter“-Hinweis, keine verkürzten Antworten. Schnell wird klar: Dieser Deutschlandtag ist Angela Merkel wichtig. Entsprechend gut vorbereitet ist ihre Rede. Und sie kommt an bei den jungen Christdemokraten. Denn im Gegensatz zu den vergangenen Monaten setzt die Kanzlerin nun auf andere Töne. 

„Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung zur konsequenten Abschiebung von Flüchtlingen ohne Bleiberecht“, erklärt Merkel unter dem Beifall der Delegierten. Sie lobt die Bayern für deren herausragende Leistungen bei der Bewältigung der Zuwanderungskrise. Bei diesem Thema nütze es nicht, mit dem Finger auf die Bundesländer zu zeigen und darauf hinzuweisen, daß diese abgelehnte Asylbewerber nicht abschieben würden. Der Bürger wolle Lösungen sehen. „Wir müssen sagen, wie es geht und wie wir es anpacken.“ Zudem bedürfe es einer starken CDU und CSU, „um Rot-Rot-Grün in Deutschland zu verhindern“. 

Die konzentrierte Ansprache der Kanzlerin hat ihren Grund. Im Vorfeld des Deutschlandtages hatte der mit 85 Prozent wiedergewählte JU-Chef Paul Ziemiak einen klareren Kurs angemahnt und eine erneute Große Koalition in Frage gestellt. Worte, die angesichts der gegenwärtigen Spannungen zwischen den Unionsparteien wie Dynamit wirken können. Entsprechend ist während der Tagung das Bemühen von allen Seiten zu erkennen, kein weiteres Öl ins Feuer zu gießen. Selbst der bayerische JU-Chef findet lobende Worte für die Kanzlerin, die „auch ehrlich gemeint seien“, wie er unterstreicht. Daß der Satz für allgemeine Heiterkeit unter den Delegierten sorgt, zeigt, wie tief die Gräben zwischen CDU und CSU derzeit sind. Noch vor einem Jahr hatte die JU Bayern die Kanzlerin mit Transparenten begrüßt. „Zuwanderung begrenzen“, „Transitzonen einführen“ stand auf ihnen. Davon ist dieses Mal nichts zu sehen. „Der Wahlkampf hat begonnen. Jedem ist doch klar, daß wir nur gewinnen können, wenn wir geschlossen auftreten“, meint ein Delegierter gegenüber der JF. 

Genau um diese Geschlossenheit geht es der Kanzlerin. Denn der am 4. November beginnende CSU-Parteitag wirft bereits seine Schatten voraus. Eine Blamage wie vor einem Jahr, als Merkel dort von den Christsozialen beifallslos und mit einer Standpauke von Horst Seehofer im Gepäck verabschiedet wurde, soll unter allen Umständen vermieden werden. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sind die neuen Töne der Kanzlerin zu verstehen. Wie verhärtet die Fronten dennoch sind, zeigt auch die Tatsache, daß sich die bayerischen JU-Delegierten nicht zum Beifall erheben, als die Kanzlerin ihre Rede beendet hat. 

Nicht ganz zufällig dürfte daher auch die Absage des österreichischen Außenministers Sebastian Kurz bei der JU erfolgt sein. Der ÖVP-Politiker hatte im Sommer vorigen Jahres mit der von ihm eingeleiteten Westbalkankonferenz maßgeblich zur Schließung der Balkanroute und damit zur Beendigung der starken Migrationsströme nach Deutschland beigetragen. Was nicht ins Wahlkampfkonzept von Merkel passen dürfte, die derzeit versucht, die geringeren Immigrantenzahlen als Erfolg des von ihr verhandelten Abkommens mit der Türkei zu verkaufen. Ein mit vielleicht sogar deutlich stärkerem Applaus der Delegierten bedachter österreichischer Außenminister wäre für sie jedenfalls wenig hilfreich gewesen.