© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/16 / 21. Oktober 2016

Trendwende im Milliardenskandal
Finanzkrise: Bundesgerichtshof kassiert Freisprüche für ehemalige HSH-Nordbank-Vorstände
Martina Meckelein

In der Haut dieser Männer möchte niemand stecken. Der Bundesgerichtshof in Leipzig hat die Freisprüche der sechs Ex-Vorstandsmitglieder der HSH Nordbank vom Vorwurf der Untreue und des Betrugs aufgehoben und die Sache an das Hamburger Landgericht zurückverwiesen. Der Prozeß wird neu aufgerollt.

Rückblick: Im Dezember 2007, als sich die Finanzkrise längst abzeichnete, gründete die öffentliche HSH Nordbank (4.000 Mitarbeiter, Hauptsitze Hamburg und Kiel) mit der französischen Großbank BNP Paribas die Gesellschaft „Omega 55“. Ein komplizierter Deal, bei dem risikobehaftete Immobilienkredite an eine Briefkastenfirma auf Jersey ausgelagert wurden. Die Paribas versicherte das Ganze. Dadurch sollten die faulen Papiere nicht in der Bilanz 2007 auftauchen – und die alleinregierende CDU hatte bei der Hamburger Bürgerschaftswahl 2008 ein Problem weniger.

Kein Jahr später riß die Lehman-Pleite auch die HSH mit in den Strudel. Die Bank beantragte im Oktober 2008 beim Finanzmarktstabilisierungsfonds Soffin 30 Milliarden Euro. Die Länder Schleswig-Holstein und Hamburg schnürten ein 13 Milliarden Euro schweres Rettungspaket. Ab August 2009 ermittelte die Staatsanwaltschaft Hamburg wegen Untreue. Der Prozeß vor der großen Wirtschaftsstrafkammer 8 des Hamburger Landgerichts begann am 24. Juli 2013. Die Anklage lautete auf Untreue und Bilanzfälschung. Der Schaden habe über 52 Millionen betragen.

Mit Hans Berger, Dirk Jens Nonnenmacher, Peter Rieck, Jochen Friedrich, Hartmut Strauß und Bernhard Visker war erstmals in Deutschland ein kompletter Bankvorstand angeklagt. Ein Jahr lang wurde verhandelt, die Angeklagten waren zum Urbild der verantwortungslosen, selbstverliebten Gier-Banker geworden. Was niemanden verwundert, sollte doch der Mathematiker Nonnenmacher, Spitzname Dr. No und immer mit einer großzügig bemessenen Portion Gel im Haar auftretend, noch im September 2009, die prekäre Finanzlage der Bank sehr wohl kennend, eine Bonuszahlung über 2,9 Millionen Euro bekommen.

Auch wenn die Richter den Plan, die kleine Bank an die Börse zu bringen, als „eine nicht unerhebliche Selbstüberschätzung“ bezeichneten, sprachen sie alle sechs 2014 frei. Zwar hätten Pflichtverletzungen vorgelegen, doch für eine Verurteilung wegen Untreue seien die Verstöße nicht gravierend genug gewesen. Außerdem hätten sich die Angeklagten nicht selbst bereichert, und die Vorgehensweise sei legal gewesen. Gegen das Urteil legte die Staatsanwaltschaft Revision ein. Der 5. Strafsenat des BGH gab ihr recht. Das Hamburger Landgericht habe die Pflichtverletzungen der Vorstände nur unvollständig geprüft.