© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/16 / 21. Oktober 2016

Urteil schiebt GEZ-Abzocke Riegel vor
Landgericht stoppt neue Finanzamtspraxis, Geld einzutreiben / Ein Erfahrungsbericht
Ronald Gläser

Anruf bei einer Anwaltskanzlei. „Ich brauche Hilfe. Es geht um den Rundfunkbeitrag.“ – „Ach wissen Sie: Das machen wir nicht mehr. Ich kann Ihnen auch keinen Tip geben, an wen Sie sich wenden könnten.“ – „Au schade.“

Wer einen Anwalt benötigt, um gegen die Gebühreneinzugszentrale (GEZ), 2013 in Beitragsservice umbenannt, vorzugehen, hat derzeit schlechte Karten. Zwar führen viele Datenbanken noch Anwälte mit dem Spezialgebiet Rundfunkbeitrag. Aber immer öfter bekommen die Anrufer zu hören, daß dieses Spezialgebiet nicht mehr beackert würde oder daß solche Mandanten nicht erwünscht seien.

Ein anderer Rechtsanwalt berichtet: Meistens sei es ein Kampf gegen Windmühlen, ein „Spiel auf Zeit“. Denn seit das Bundesverfassungsgericht die GEZ-Reform von 2013 abgenickt habe, können die Bürger nicht mehr darauf hoffen, dieser Steuer, die offiziell nicht so genannt werden darf, entgehen zu können.

Eigentlich komisch. Denn gerade jetzt geht der Kampf gegen die Rundfunksteuer in eine neue Runde. Ein Urteil des Landgerichts Tübingen elektrisiert gerade die Szene der GEZ-Verweigerer. Mit seinem Beschluß vom 16. September (5 T 232/16) erklärt das Gericht behördliche Zwangsvollstreckungen für ungültig. 

Die Argumentation ist einfach: Eine Rundfunkanstalt kann nicht einfach einem Bürger eine Rechnung schicken wie eine Handwerkerfirma für eine Waschmaschinen-Reparatur. Eine Anstalt muß einen Bescheid ausstellen. Dann kann sie ihn auch wie im verhandelten Fall vollstrecken lassen – als behördliche Vollstreckungsmaßnahme.

Genau das machen die Anstalten wie der beklagte SWR aber nicht. Sie stellen keine Bescheide aus. Sie agieren wie Unternehmer auf dem Markt. Der SWR definiert sich sogar auf seiner Homepage als Unternehmen. Die Sender legen zudem großen Wert darauf, nicht als Behörden-Rundfunk angesehen zu werden. Außerdem treten sie als Anbieter etwa von Werbezeiten auf, greifen also in das Marktgeschehen ein, was Behörden untersagt ist. Durch das Urteil in dem Musterverfahren ist die Zwangsvollstreckung von 572,96 Euro für unzulässig erklärt worden. Der klagende GEZ-Gegner erhält sein Geld zurück. 

Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Es ist damit zu rechnen, daß auch dieser Fall vor dem Bundesgerichtshof landen wird. Diese höhere Instanz hatte bereits im Juni ein rundfunkbeitragskritisches Urteil des Landgerichts Tübingen verworfen. Der jüngste Beschluß liest sich wie eine trotzige Antwort der niederen Instanz gegen das BGH-Urteil vom Sommer.

Sind die Sender nun Firmen oder Behörden? Sie selbst sehen sich als öffentlich-rechtliche Kontrollinstanzen, wollen aber gleichzeitig die Vorteile einer Behörde nutzen. Wie das in der Praxis aussieht, habe ich am eigenen Leibe erfahren: Seit 2013 liege ich im Clinch mit dem ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice. Gegen die zahlreichen Zahlungsaufforderungen und Mahnungen habe ich stets gut begründeten Widerspruch eingelegt, um die Sache zumindest hinauszuzögern. Damit bin ich kein Einzelfall. Schätzungsweise 900.000 Deutsche wehren sich gegen die Rundfunkgebühr. Tausende sind vor Gericht gezogen. Das für mich zuständige Finanzamt Pankow/Weißensee hat bereits zwei Bekannten von mir das Konto gepfändet, darunter meiner Parteifreundin Beatrix von Storch, was eine neue Debatte über die GEZ ausgelöst hatte.

GEZ-Gebühr gepfändet von der Steuerrückzahlung 

Doch diese Kontopfändungen sind aufwendig. GEZ und Finanzämter haben eine neue Masche entdeckt, wie sie bequemer an das Geld der Bürger herankommen – durch Pfändungen von Steuerrückständen. 

Dieser Methode bin ich nun zum Opfer gefallen. Am 25. August erließ mein Finanzamt im Auftrag des RBB eine Pfändungsverfügung über 657,96 Euro für ausstehende Rundfunkbeiträge. Am 26. August erging (endlich) mein lang erwarteter Steuerbescheid, aus dem hervorgeht, daß mir das Finanzamt 1.302 Euro schuldet. Die zeitliche Nähe beider Ereignisse ist bemerkenswert. Sie ließ mir keine Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. Das Finanzamt überwies mir lediglich 644,04 Euro und behielt den Rest für den RBB ein. Es sieht danach aus, als arbeiteten hier zwei Abteilungen im Finanzamt und im Sender Hand in Hand, um die Gebühren für die acht Milliarden Euro schwere staatliche Rundfunkindustrie einzutreiben. Ein Widerspruchsverfahren dagegen läuft.

Nicht nur GEZ-Gegner schöpfen nun neue Hoffnung wegen des Tübinger Urteils. Auch klamme Kommunen, die keine Lust haben, für milliardenschwere Staatskonzerne die Kastanien aus dem Feuer zu holen, frohlocken über das Urteil. 

So teilte etwa die nordrhein-westfälische Stadt Arnsberg mit, daß die Eintreibung der Rundfunkbeiträge durch Kommunen nicht sinnvoll sei und daß das Urteil die Position der Stadt stärke. Arnsberg erhält 23 Euro pro Zwangsvollstreckung, doch die wahren Kosten lägen bei 46 Euro. Kein gutes Geschäft für die 70.000-Einwohner-Stadt.