© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/16 / 21. Oktober 2016

Chance für junge Muslime, ihre Opferrolle abzulegen
Deutsche Islamophobie fördert Salafismus
(dg)

Für die unter jungen Muslimen verbreitete Hinwendung zum Islam macht der bis 2015 an der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie in Hamburg tätige Soziologie-Professor Willy Klawe in erster Linie die „islamophoben Reaktionen“ der deutschen Lebenswelt verantwortlich (Deutsche Jugend. Zeitschrift für die Jugendarbeit, 9/2016). Denn in Schule und Beruf konzentriere sich die Einschätzung dieser „jungen Menschen mit Migrationshintergrund“ primär auf die Religion, was zu einschneidenden Reduzierungen ihrer Selbstwahrnehmungen führe. Folglich provoziere ein solcher „Fremdheitsdiskurs“ bei einem Teil der jungen Zuwanderer eine verstärkte Hinwendung zu islamistischen Gruppierungen. Zumal, wie Klawe meint, ohne dafür empirisch valide Daten zu liefern, „Diskriminierung und Ausgrenzung“ in den letzten Jahren „keineswegs nachgelassen“ hätten. Die Attraktion des Islam gehe jedoch nicht von den im Elternhaus gepflegten religiösen Traditionen aus. Vielmehr finde eine Neuaneignung statt, um aus dem Islam „Ressourcen für die Alltagsbewältigung in einem abweisenden Umfeld zu gewinnen“. Besonders salafistische Strömungen böten den von der deutschen Mehrheitsgesellschaft abgelehnten wie auch familiär stärker als deutsche Altersgenossen kontrollierten und „verregelten“ Jugendlichen die Chance, sich vom Opfer zum Überlegenen umzudefinieren. 


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