© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/16 / 21. Oktober 2016

Frisch gepresst

Luther I. Auch wenn der Philosoph Norbert Bolz oft und beharrlich als Kommunikationstheoretiker wahrgenommen wird, ist sein neues Buch „Zurück zu Luther“ kein Versuch eines Dilettanten, sich als Kirchenhistoriker zu profilieren. Denn der Autor entstammt dem engsten Umkreis des jüdischen Religionsphilosophen Jacob Taubes (1923–1987). Unter dessen Ägide entstand Bolz’ Habilschrift über „Die Entzauberung der Welt“ und eine markante ersatzreligiöse Antwort auf den philosophischen Extremismus zwischen den Weltkriegen. Das Denken des Zeitdiagnostikers Bolz kreist seitdem um die Selbstermächtigung des modernen Menschen, der keinen religiösen Lebenssinn mehr sucht. Keine schlechte Vorbereitung also, um mit Kompetenz zum Reformationsjubiläum 2017 die bislang beste, dezidiert kämpferische Einführung zu Luthers Lehre zu schreiben. Das Führungspersonal des protestantischen „Wohlfühl­christentums“ (EKD) um die „Luther-Botschafterin“ Margot Käßmann, das schon seinen Erlöser Jesus Christus zum „Integrationsbeauftragten“ geschrumpft hat und sich nun hektisch von vielen Positionen des Reformators „distanziert“, dürfte an dieser Streitschrift sehr wenig Freude haben. (wm)  

Norbert Bolz: Zurück zu Luther, Wilhelm Fink Verlag, Paderborn 2016, gebunden, 141 Seiten, 19,90 Euro





Luther II. EKD-„Botschafterin“ Margot Käßmann freut sich, daß das anstehende Reformationsjubiläum anders als die „sehr deutschnationalen“ Jubiläen 1817 oder 1917 ein „weltoffenes, internationales mit ökumenischem Horizont“ werden wird. Zusammen mit dem EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm hat sie ein Lesebuch zusammengestellt, das in der Hauptsache Gespräche aufzeichnet. Mit Walter Homolka, Mouhanad Khorchide, Jakob Augstein, Gregor Gysi und Dunja Hayali sprechen sie über die Welt und Gott oder das, was sie je dafür halten, und das fällt durchweg geistreich und unterhaltsam aus. Auch wer mit der Grundlinie nicht einverstanden ist, findet Anregendes zum Weiterdenken. Ein katholischer Widerpart fehlt unverständlicherweise, und daß der Kommunist Gysi mit Transzendenz nichts am Hut hat, wußte man auch schon vorher. Viel Toleranz verlangt es manchem anders verorteten Leser ab, den spezifisch protestantischen Jargon der Betroffenheit auszuhalten. (ru)

Margot Käßmann, Heinrich Bedford-Strohm: Die Welt verändern. Was uns der Glaube heute zu sagen hat. Aufbau Verlag, Berlin 2016, gebunden, 293 Seiten, Abbildungen, 22 Euro