© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/16 / 21. Oktober 2016

Frisch gepresst

Stichwortgeber. Geht es um die politische Berichterstattung in Deutschland, ist das Meinungsspektrum ähnlich verengt wie im derzeitigen Fünf-Parteien-Bundestag: Bei Themen wie AfD, EU, Klima, Putin, Trump, Ungarn oder Zuwanderung scheren allenfalls einige Mutige oder Journalisten mit schon gesichertem Rentenanspruch aus dem Mainstream aus. Dem Begriff „Lügenpresse“ würde Ferdinand Knauß, hauptamtlich Redakteur bei der zum Handelsblatt gehörenden Wirtschaftswoche, dennoch heftig widersprechen. Doch sein Buch „Wachstum über alles? Wie der Journalismus zum Sprachrohr der Ökonomen wurde“ ist gleichwohl eine äußerst lesenswerte Abrechnung mit der uniformen Gefolgschaft, die auch in den Wirtschaftsredaktionen herrscht. Ein 43jähriger Historiker, der in Japan und der Bretagne studiert hat, will uns nur wieder etwas von den Grenzen des Wachstums erzählen, werden die üblichen anglophilen MBAler, promovierten Volkswirte und von der taz zu FAZ oder Welt gewechselten Renegaten ätzen. Doch Knauß ist kein spinnerter Altlinker. Der Familienvater, der schon einmal die „totale Mobilisierung beider Geschlechter für das Arbeitsleben“ als Gift für unsere Kinder brandmarkte, untermauert seine fundierte Kritik am Wachstumsfetischismus mit Stimmen der ordoliberalen Altvorderen. Und schon allein Knauß’ Abhandlung über den „Standort Deutschland als Ersatzvaterland“ und seine – leider viel zu kurz geratene – Hinterfragung der „Einwanderung als Frischzellenkur“ machen sein Buch zur Pflichtlektüre. (fis)

Ferdinand Knauß: Wachstum über alles? Wie der Journalismus zum Sprachrohr der Ökonomen wurde. Oekom Verlag, München 2016, broschiert, 192 Seiten, 24,95 Euro