© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/16 / 28. Oktober 2016

Dorn im Auge
Christian Dorn


Ein Freund aus Hamburg bestätigt mir: Nicht erst mit den Clowns kommen die Tränen. Er berichtet von dem kleinen Jungen, der schreiend auf dem Bahnsteig in Norderstedt vor drei schwarzen Frauen im Niqab davonlief wegen deren furchteinflößender Erscheinung. Angesichts dieses Bildes soll mir nochmal jemand mit „fehlender Willkommenskultur“ kommen – dem werde ich einen Morgenkurs anempfehlen, wo er den Abschluß mit der Note „umma cum laude“ erwerben kann. Doch im Ernst: Angesichts der Monster-Clowns sei zur Ehrenrettung an das poetische „Lied vom Clown“ von Stephan Krawczyk (Text: Andreas Reimann) erinnert, das – 1985 in der DDR veröffentlicht – bis heute in berührender Weise die Aura des Clowns, als dem Prototyp von Authentizität, in überzeugende Verse bannt: „Zum Teufel, der geht auf zwei Füßen herum / Und das sogar noch vor Publikum / Der macht sich zum August und August ist dumm / Der lacht, wenn ein Witz übern Eckstein springt / Der weint, wenn ihn etwas zum Weinen zwingt / Der schluckt nicht gleich alles, der hat dran zu kau’n - / ’S ist eben ein Clown!“


Doch auch Krawczyk, so ein Rezensent, könne mit der deutschen Sprache so gut wie Lindenberg oder Brecht, als „ein Seismograph der Verlogenheit und Heuchelei jeder Zeit. Der vor 1989. Der danach“. Nächste Konzerte Krawczyks: 29.10. Stuttgart, 30.10. Erfurt (Luther-Lieder-Tour) oder 10.11. Berlin im DDR-Museum (www.stephan-krawczyk.de). An die Endphase der DDR erinnert mich auch die propagandistische Inszenierung namens „Offene Gesellschaft“, die dafür Karl Popper in Geiselhaft nimmt – sind doch die Protagonisten dieser Veranstaltung zugleich die eigentlichen Feinde. Damals, Frühsommer 1989, hatten die DDR-Behörden den „Verband der Freidenker“ gegründet. Diesen Euphemismus, diese Verhöhnung der Wirklichkeit versuchte ich im Vers zu fassen: „Verband, verbinde das Denken / Es werde nicht allzu frei / Sorge, daß das Blut der Wunden / Versteckt im Mull der Binde sei / Und wisse immer um die Öffentlichkeit / Infektionsgefahr ist jederzeit.“


Dies gilt auch für den E-Mail-Verkehr des CDU-Generalsekretärs Peter Tauber und dessen erbärmliche Heuchelei. Während im Deutschlandfunk-Kommentar Terroristen, Reichsbürger, Pegida, Identitäre Bewegung und AfD in einen Topf geworfen werden, warnt auch Tauber vor den „Reichsbürgern“. Und Tauber selbst? Parteifreunde berichten, wie dieser einst in seiner Korrespondenz bevorzugt aus der „Reichshauptstadt“ grüßte.