© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/16 / 28. Oktober 2016

Warten auf staatliche Hilfe
Hochwasser: Wie eine traditionsreiche Druckerei ums Überleben kämpft
Verena Inauen

Traditionelle Drucktechniken, modernste Werbemittel, Büroausstattungen und persönlicher Service. Das alles war im Betrieb von Albert Seidl zu finden. Die ganze Familie versorgte die Druckerei in Simbach am Inn an der bayerisch-oberösterreichischen Grenze über Jahre hinweg mit einem steten Einkommen. Auf eine vier Generationen lange Geschichte blickt das Unternehmen bereits zurück. Doch das Hochwasser am 1. Juni dieses Jahres zerstörte die gesamte Lebensgrundlage von Vater, Mutter und Tochter. 30 Zentimeter hoch stand das Wasser in den Geschäftsräumen. Auch die Wohnung der Familie war tagelang unbewohnbar. „Dann kam das Jahrtausendhochwasser und hat uns alles einfach so weggerissen“, schildert Frau Seidl das verheerende Unwetter.

Die Soforthilfe war nur ein geringer Trost für den ruinierten Betrieb, und die staatliche Unterstützung läßt bis heute auf sich warten. Der Kontakt zur Regierung von Niederbayern gestalte sich allerdings gut. 80 Prozent der Kosten möchte das Land zwar übernehmen, bis heute hat die Familie davon jedoch nichts gesehen und hofft immer noch auf die zugesagte Unterstützung. Auf 350.000 Euro belaufen sich allein die Instandsetzungskosten. Doch das mediale Echo an der verwüsteten Ortschaft ließ bereits während der Aufräumarbeiten schnell nach. Kriminalstatistiken über Rechtsextremismus oder die Stimmung in der deutsch-türkischen Beziehung verdrängten das Unwetter aus den Schlagzeilen.

Bewohner helfen sich gegenseitig

Die Familie stand am Rande des Existenzminimums, während der Staat wenige Kilometer weiter Tausende junge – handwerklich sowie fachlich angeblich gut qualifizierte – Männer über die deutsch-österreichische Grenze schleuste. Sie wurden aber nicht zum Helfen und Wiederaufbauen ins Nasse geschickt, sondern im Trockenen versorgt. Die Bewohner halfen sich schließlich gegenseitig.

„Mein Papa hat für seinen Beruf gelebt und würde seine Druckerei gerne wieder aufbauen. Doch ohne Hilfe geht das leider nicht“, lautet noch im Sommer dieses Jahres der Aufruf der verzweifelten Tochter. Anstatt sich aber unter Deutschlands Arbeitslose einzureihen, mobilisierte das Unternehmen alle Kräfte und begann rasch mit den Sanierungsarbeiten, bevor sich der Zustand verschlimmerte. Kaputte Wände wurden abgerissen und müssen nun wieder neu aufgezogen werden, die komplette Heizung neu installiert werden. Angebote wurden eingeholt und die ersten Handwerksarbeiten selbst erledigt. 

„Dem Hochwasser zum Trotz – wir sind wie gewohnt für Sie da und freuen uns auf Ihre Aufträge!“ heißt es seit September wieder auf der Netzseite der Druckerei Seidl. Bis Januar möchte die Familie den Betrieb wieder vollends zum Laufen bringen. Noch reichen die Wiederherstellungsmaßnahmen nicht ganz für einen funktionierenden Ablauf aus. Es summen noch immer die sieben Trocknungsgeräte in den Räumlichkeiten der Druckerei. Von Aufgeben ist trotzdem nicht die Rede: „Gerne können Sie sich im Januar wieder melden, dann sind wir sicher schon weiter und können auch genauere Angaben machen“, schreibt Albert Seidl der JUNGEN FREIHEIT.