© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/16 / 28. Oktober 2016

Öffentlich-rechtliches Youtube
Das neue ARD/ZDF-Jugendprogramm „funk“ bietet linke Meinungsmache statt unabhängige Informationen
Ronald Berthold

Mal Hand aufs Herz: Wissen sie, was „funk“ bedeutet? Gerade, wenn es sich um einen neuen Jugendkanal von ARD und ZDF handelt? Irrtum: Mit der Kurzform von „Rundfunk“ hat der Name nichts zu tun. Er steht für ein englisches Wort, das auf deutsch „Schiß“, „Bammel“ oder „Gestank“ bedeutet. Offenbar haben die Macher der Öffentlich-Rechtlichen nicht ins Lexikon geschaut, als sie das Substantiv für das vermeintlich coole „funky“ („abgefahren“) gesucht haben, das so schön multilingual doppeldeutig zum guten alten deutschen Wort „Sender“ passen sollte.

So wie der Name ist das ganze „Content-Netzwerk“, wie ARD und ZDF ihr neues Jugendprogramm bezeichnen, nach hinten losgegangen. 45 Millionen Euro Gebührengelder haben sie in das Projekt gesteckt, das seit 1. Oktober ausschließlich über eine App sowie über Facebook, Youtube und andere soziale Netzwerke abrufbar ist. Es soll ihnen junge Zuschauer bringen: „funk entwickelt und produziert Online-Formate für 14- bis 29jährige“, erklären die Verantwortlichen. Denn öffentlich-rechtliches Fernsehen ist inzwischen eine Sache für Rentner. Das Durchschnittsalter der Menschen, die noch ARD oder ZDF einschalten, lag bereits bei der jüngsten Erhebung im Jahr 2010 bei 60 Jahren.

Aber die Jungen zeigen „funk“ die kalte Schulter. Das Programm startet mit 40 Kanälen. Ständig werden neue dazukommen. Einer davon heißt „Y-Kollektiv“. Er soll das journalistische Aushängeschild sein. Ein „Netzwerk von jungen JournalistInnen“ recherchiert hier laut Sender „Themen wie Massentierhaltung oder das Leben von illegalen Flüchtlingen in Europa“. „funk“ wirbt damit, „alles nah, real und persönlich“ zu berichten.

Die Zielgruppe sieht’s anders. Die Zuschauerzahl liegt durchschnittlich pro Beitrag um die 10.000, wie jeder unter den Videos ablesen kann – von Ausreißern nach unten und oben abgesehen. Nach herkömmlicher Ermittlung der Einschaltquoten hieße das: nicht meßbar. Die „Gefällt mir“-Angaben sind bisher ebenso katastrophal: zwischen sechs und 50. Fast jeder völlig unbekannte Facebooker generiert mehr „Likes“ für seine Posts.

Ähnlich sieht es beim investigativen Format „Jäger & Sammler“ aus, das verspricht, den „Themen auf den Grund zu gehen“ und dabei doch den gleichen tendenziösen Arbeitsstil zeigt. Einen der ersten Filme von „funk“ moderiert eine der drei festen Reporter. Sie heißt Naomi Nemi El-Hassan und trägt Kopftuch. Natürlich duzt sie die Zuschauer. In ihrem Beitrag – gleich zum Sendestart ausgestrahlt – geht es um rechtsradikale Rap-Musik.

Die Marschroute: bunt, emanzipiert, anti-AfD

Die ersten beiden Sätze der 21jährigen lauten, nachdem sie vermeintlich lässig die Kopfhörer abgenommen hat: „Nazis rappen jetzt also. Macht etwa genausoviel Sinn, wie die AfD zu wählen, um Lösungen für echte Probleme zu erwarten.“ Kurz darauf spielt sie Bilder von Adolf Hitler bei einer seiner Reden ein. So sieht das also aus, was die Redakteure des öffentlich-rechtlichen Produkts in ihrer Ankündigung als „Recherchieren“ der „Hintergründe zu politischen und gesellschaftlichen Themen wie der Identitären Bewegung“ beschreiben. Die unabhängige Grundversorgung mit Informationen als Programmauftrag der Sendeanstalten: anscheinend vergessen.

Bei fast jedem neuen journalistischen Produkt sind die ersten Beiträge programmatisch, damit Leser oder Zuschauer wissen, woran sie sind und wohin die Reise geht. Sollte dies bei „funk“ auch so sein, haben die Macher die Marschroute klar festgelegt: bunt, emanzipiert, anti-AfD weil Nazi, dafür pro-Islam und Flüchtlinge weil Bereicherung – kurz: funky, um nicht links ideologisch zu sagen. Ganze 48 Zuschauer fanden es auch abgefahren und gaben dem Beitrag in den ersten 14 Tagen ein „Gefällt mir“ bei Facebook.

„funk“-Geschäftsführer Florian Hager weiß um die Schwierigkeiten seines Sendersammelsuriums, trotz des vielen Geldes Zuschauer zu gewinnen: „Unsere Strategie ist, daß die Inhalte gefunden werden. Der Protagonist oder das Format sollen interessant sein, und dann wird im Abspann klar, daß es von ‘funk‘ kommt. Wir hoffen, wenn jemand zwei bis dreimal in der Woche über unsere Inhalte stolpert, daß er sich dann fragt, was haben die noch?“ Über Masse soll also die Mehrheit der 14- bis 29jährigen erreicht werden.

Eines der Ziele des neuen Jugendsenders ist es, Nachwuchskräfte für ARD und ZDF zu gewinnen. Für die ARD-Vorsitzende Karola Wille sei „funk“ eine „Möglichkeit, Talente zu entwickeln“. Demnach hat Naomi Nemi El-Hassan wohl keine schlechten Chancen, irgendwann mit Kopftuch die „Tagesthemen“ zu moderieren. 

„Deutschland hat Angst – auch vor mir“, rief die Muslima im Januar vergangenen Jahres bei der Anti-Pegida-Veranstaltung „offen und bunt“ in Dresden in ein Mikrofon, um dann im nächsten Satz zu fordern: „Deutschland, du mußt dein Denken reformieren.“

Auch in der sächsischen Landeshauptstadt trug sie einen Hidschab, der jedes Kopfhaar sowie den Hals verdeckt und nur das Gesicht frei läßt. Für den Tagesspiegel beklagte sie sich in einem Gastbeitrag darüber, daß sie wegen ihrer islamischen Kleidung und der Farbe schwarz, die auch der „Islamische Staat“ benutzt, öffentlich angefeindet werde. Steige sie in die S-Bahn, wechselten andere Fahrgäste die Plätze. „Ich werde angestarrt, als sei ich der Terrorfürst Al-Baghdadi höchstpersönlich.“

Nun arbeitet sie bei den Öffentlich-Rechtlichen. Die ARD-Vorsitzende sagt über die neuen Kollegen von „funk“: „Wir wollen einen Raum schaffen für junge Kreative, für Innovation, für Experimente.“ Darüber hinaus soll das Jugendprogramm, so ergänzt ZDF-Intendant Thomas Bellut, „Formate ins Netz bringen, die die jungen Menschen interessieren und sie dort zeigen, wo sie medial unterwegs sind“.

Finanzstarke Konkurrenz für kleine freie Youtuber

Mit ihrem gewaltigen Etat gehören ARD und ZDF zu den Giganten auf Youtube. Einige Alteingesessene sehen die Gefahr, daß die Sender die anderen Kreativen, die sich dort ausprobieren, erdrücken könnten. Der Markt werde kleiner, wenn plötzlich ein überdimensionierter Mitspieler den Platz betrete. Den Youtube-Star „LeFloid“ hat „funk“ allerdings bereits eingekauft. Er nimmt sich, so tagesschau.de, „die neuesten Games vor“. Auf seinem eigenen Kanal hatte der unter Jugendlichen bekannte Filmchenmacher im Juli 2015 Kanzlerin Angela Merkel interviewt: „Die Zukunft des politischen Journalismus kann das nicht sein“, meinte damals der ebenfalls öffentlich-rechtliche Deutschlandfunk. So kann man sich irren.

Von den Arbeitsbedingungen, die die neuen Konkurrenten von den Öffentlich-Rechtlichen zur Verfügung haben, können die anderen Youtuber, die üblicherweise lediglich mit kleinen Handkameras unterwegs sind, nur träumen. Tagesschau.de kommt ins Schwärmen, wenn es um die Redaktionsräume geht: „Das hippe Großraumbüro im 22. Stock: beste Aussicht auf Mainz und das Rhein-Main-Gebiet.“ Nach „funk“, also „Gestank“, hört sich das nicht an.