© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/16 / 28. Oktober 2016

Gar nicht lustig
Unheimliches Phänomen aus den USA: Horror-Clowns bedrohen Passanten und verbreiten Angst und Schrecken
Martina Meckelein

Im Regionalzug von St. Wendel nach Saarbrücken. Ein Mann mit Clownsmaske springt abends durch die Gänge, bedroht Reisende mit einem Messer. Als er aussteigt, bedroht er noch eine Mutter mit ihrem Kind. Die Bundespolizei faßt ihn. Der Täter (26) ist polizeibekannt und betrunken. Maske und Messer werden sichergestellt.

In Gelsenkirchen alarmiert ein Zeuge um 20 Uhr die Polizei. Auf dem Schulgelände am Eppmannsweg hatte ein Mann mit einer Clownsmaske eine Gruppe Jugendlicher erschreckt. Der Clown lief auf die Kinder zu und schwenkte bedrohlich einen Baseballschläger. Zwei Kinder liefen vor Schreck weg. Auf der Flucht verletzte sich das jüngere stark an der Hand. Einen Tag später stellt sich der „Spaßvogel“ der Polizei: ein Bekannter der Jugendlichen vom Schulhof.

„Destruktive Neigungen auf armselige Art ausgelebt“

In Wesel hantiert auf dem Bahnhof ein Horror-Clown mit Messer und Schußwaffe, bedroht zwei Männer. In Leipzig wird eine 37jährige Radfahrerin von zwei Clowns attackiert. Sie kann ihren Verfolgern entkommen. Solche Polizeimeldungen häufen sich zur Zeit in Deutschland.

Das unheimliche Phänomen stammt aus den USA: Killer-Clowns streifen nachts durch Parks oder spazieren über Straßen. Maskierte Horrorausgaben des dummen Augusts aus dem Zirkus. Sie schleppen mannsgroße Hämmer, Harken oder Macheten mit sich. Hinterrücks springen sie auf Passanten und erschrecken sie.

Doch was für den Täter Spaß ist, ist für die Opfer ein wahrer Alptraum. Gerade bei Kindern ist die sogenannte Coulrophobie, die krankhafte Angst vor Clowns, verbreitet. Karin Platzer vom Dachverband Clowns in der Medizin und Pflege in Deutschland e. V. mit Sitz in Freising ist empört und fordert eine Umbenennung. Statt Grusel-Clowns sollten Medien von „Grinsefratzen“ berichten. Grund: „Grusel-Clowns sind keine Clowns. Es sind wirre Menschen, die ihre destruktiven Neigungen nur auf diese armselige Art ausleben wollen.“ Nur beschreibt der Begriff „Grinsefratze“ eben gerade nicht das Grauen, das von einem doch normalerweise sympathisch besetzten Clown ausgeht.

Frank McAndrew, Professor für Psychologie am Knox College in Galesburg (Illinois), erforscht diese Angst. Der FAZ berichtete er über das Phänomen. McAndrew meint, daß Clowns schelmisch und unvorhersehbar seien, man könne nicht erkennen, wer sie seien und was sie wirklich fühlten. „Und es gibt die Assoziationen zu Serienkillern im realen Leben und Filmen“, sagt der Wissenschaftler.

McAndrew spielt einmal auf den US-amerikanischen Serienkiller John Wayne Gacy an, der als „Pogo der Clown“ mit einem selbstgenähten Clownskostüm bei Straßenfesten auftrat. So konnte er sich Kindern unauffällig nähern. Gacy ermordete 33 Kinder und Jugendliche. Er wurde 1994 hingerichtet. Sein Foto mit dem Clownskostüm ging während der Prozeßberichterstattung um die Welt.

Zum anderen weist McAndrew auf die Verarbeitung des „Horror-Clowns“ in Literatur und Film hin. Das Motiv des bösen Clowns benutzte Stephen King, dessen Roman „Es“ 1990 verfilmt wurde. Und das Böse hat einen Namen: Penywise. Wie auch in den Batman-Verfilmungen die angstverbreitende Figur ein Clown namens Joker ist.

Im Netz wird über die Gründe für die Ausbreitung dieses unheimlichen Clown-Phänomens spekuliert. Da wird sogar eine Guerilla-PR-Aktion vermutet für das „Es“-Remake. Der Film kommt in den USA am 8. September 2017 in die Kinos. Aber eine über drei Jahre andauernde PR-Aktion mit Verletzten? Wohl eher auszuschließen.

Sicher ist, daß neben den USA England, Frankreich, Dänemark, Schweden und jetzt Deutschland betroffen sind. Im Internet werden immer mehr Horror-Clownssichtungen unter den Hashtags „ClownSighting“ oder „Clownsspotting“ eingestellt, viele vermutlich gestellt.

Für die Opfer sind sie allerdings kein Spaß. Und die Polizei ermittelt in jedem angezeigten Fall. Gegen den Horror-Clown aus dem Zug wegen Nötigung. Und auch gegen den „Spaßvogel“ vom Schulhof in Gelsenkirchen wurde ein Verfahren eingeleitet.

Auch wenn er sich über mögliche Folgen keinerlei Gedanken gemacht habe und die Verletzung des 14jährigen Gelsenkircheners sehr bedaure, wie die Polizei meldet.