© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/16 / 04. November 2016

Knapp daneben
Die Mehrheit kann lesen und schreiben
Karl Heinzen

Anfang Dezember wird eine neue PISA-Studie offenlegen, wie es weltweit um die Bildung der Jugend bestellt ist. Selbst wenn sie Deutschland eine Aufwärtsentwicklung attestieren sollte, dürfte Weltuntergangsstimmung aufkommen. Sehr viele Eltern haben höchst ambitionierte Karrierepläne für ihre Kinder, die spätestens ab der Kita eisern zu verfolgen sind. Aus ihnen sollen Topmanager und Nobelpreisträger werden. Diesen Ansprüchen kann kein Kultusministerium gerecht werden.

Es ist daher psychologisch hilfreich, daß das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) nun mit seinem „Bildungstrend 2015“ vorgemuckt ist, der bundesweit die Kompetenzen von Neuntkläßlern in den Fächern Deutsch und Englisch beleuchtet. Das Ranking bietet kaum Überraschungen. Die Streber aus Bayern stehen wieder einmal an der Spitze. Abgeschlagene Schlußlichter sind erneut Bremen und Berlin. Eltern aus diesen Bundesländern wissen aber per se, daß es für den Bildungserfolg ihrer Kinder egal ist, ob sie der Schulpflicht genügen oder nicht. 

65,4 Prozent der Schüler erreichen den „Regelstandard im Kompetenzbereich deutsche Orthographie“.

Der Absteiger ist das grüne Musterländle Baden-Württemberg. Allerdings wissen die Schüler dort nun bestens Bescheid, welchen Spaß nichtheterosexueller Sex bereiten kann. Leider war dies nicht Gegenstand der IQB-Erhebung.

Insgesamt ist das Bild aber verhalten positiv. So erreichen 65,4 Prozent der Schüler den „Regelstandard im Kompetenzbereich deutsche Orthographie“. Wenn sie Pizza online bestellen, ist somit eine nahezu unproblematische Auslieferung möglich. Auch können Sie mit ihren Freunden nicht bloß über Sprachnachrichten kommunizieren, sondern hin und wieder einen halbwegs verständlichen Kurztext schicken. Deutlich verbessert haben sich die Kenntnisse der englischen Sprache. Daran dürften Migrantenkinder einen wesentlichen Anteil haben. Vor die Wahl gestellt, ob sie sich auf Deutsch oder Englisch konzentrieren sollen, geben sie der zukunftsträchtigeren Fremdsprache den Vorzug. Vom Gerede über Leitkultur lassen sie sich nicht blenden. Welchen beruflichen Nutzen kann Deutsch ihnen bieten, wenn sie nicht gerade Altenpfleger werden wollen?