© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/16 / 11. November 2016

Eine Spur der Verwüstung
Zerschlagen, beschmiert, mit Farbe begossen: Denkmäler, Steintafeln, Statuen und Kreuze für die Kriegstoten unseres Volkes fallen landauf, landab roher Gewalt zum Opfer
Martin Voigt

Schrilles Pink gegen tote deutsche Soldaten. Linke Schmierfinken nehmen alle Jahre wieder den Volkstrauertag zum Anlaß, um ein „buntes Zeichen“ gegen das „deutsche Tätervolk“ und den „deutschen Vernichtungskrieg“ zu setzen. Land auf, Land ab fallen bekannte Kriegerdenkmäler sowie kleinere und größere Gedenkstätten für die gefallenen Kameraden der beiden Weltkriege einer zerstörerischen Schändung anheim, zu der sich manches Mal Antifa-Gruppen bekennen.

Vor wenigen Tagen traf es das Ehrenmal im Bonner Stadtteil Kessenich. Mit pinker Sprühfarbe deckten Unbekannte die Namen der Gefallenen ab. Ebenso beschädigten sie das Heiligenhäuschen in Ramersdorf und das Kriegerdenkmal auf dem Wittelsbacher Ring. In vier Fällen habe es Farbschmierereien an Denkmälern gegeben, teilte die Bonner Stadtverwaltung der JF mit. Bereits im Mai beschmierten unbekannte Täter ein Ehrenmal in Bad Godesberg. Unter dem Schriftzug „Nie wieder Deutschland“ prangte das „A“ der Antifa, das für Anarchie steht.

Inzwischen ermittelt der Staatsschutz, während auf der linksextremen Internetseite indymedia ein anonymer Verfasser jubiliert: „In der vergangenen Woche wurden in NRW und Rheinland-Pfalz verschiedene Wallfahrtsorte des deutschen Opfermythos verschönert.“ Seine Rechtfertigung: Ein Gedenkdiskurs, der „alle zu Opfern von Krieg und Gewalt erkläre“, ziele darauf ab, „Deutschland reinzuwaschen und die deutschen Täter*innen in die Opferliste der Nationalsozialist*innen mit aufzunehmen“. Beigefügt sind Beweisfotos: In pinkfarbenen Lettern steht „Deutsche Täter sind keine Opfer“ auf einer Gedenktafel und an der Wand einer Gedenkstätte.

Um seine Gesinnungsgenossen anzustiften, es ihm gleichzutun, hat der Verfasser eine „Liste der kritischsten Kriegsdenkmäler“ in seiner Region zusammengestellt. Gut 200 konkrete Ortsangaben weisen auf Denkmäler, Steintafeln, Kreuze und Statuen hin, die aus Sicht der jugendlichen Vandalen „geschichtsrevisionistische“ Botschaften in sich bergen. Sogar schlichte Tafeln, die mahnend auf die Fragilität des Friedens hinweisen, provozieren sie in höchstem Maße.

„Unsere Aufgabe ist es, Kulturgut zu erhalten“

Das ist selbst einigen linken Szenegängern zuviel. Unter dem Titel „Kritik ja – Farbe nein“ antwortet einer: „So richtig eine kritische Betrachtung der Denkmäler ist, aber solcher Vandalismus ist kein wertvoller Beitrag zur Debatte. Hier wurden Namen von Menschen angesprüht, die in den Horror des Ersten Weltkriegs gejagt wurden.“ Besser sei es, eine Tafel dazuzustellen, die „falsche“ Heldenverehrung aufzeige.

Vor allem die Soldaten des Zweiten Weltkrieges gelten den Randalierern als Sinnbild von Wehrmachtsverbrechen. In Tübingen etwa beschmierten sie am Haus der Landsmannschaft Schottland zwei Gedenktafeln für im Zweiten Weltkrieg Gefallene, während eine mittlere Tafel, die Opfer des Ersten Weltkriegs auflistet, unversehrt blieb.

Wie falsch sie hingeschmierte Parolen findet, zeigte in der niederösterreichischen Gemeinde Hohe Wand die Pflegerin eines Soldatengrabes. Als sie eines Tages den Schriftzug „Mörder“ auf der Steinplatte entdeckte, stellte sie einen gerahmten Brief dazu: „Mörder hat irgend jemand hingeschmiert am Grab dieser Namenlosen! Was wußte er über den Tod der blutjungen Soldaten, die noch in den letzten Tagen eines grauenhaften Krieges hier gefallen sind!“ Mit einer Botschaft an den „glücklicher Geborenen“ schließt der Brief: „Möge Gott Dir solche Bitterkeit ersparen!“

Ebenfalls in Österreich verübten Antifa-Gruppen in den vergangenen zehn Jahren mehrere Anschläge auf die Heimkehrer- und Europagedenkstätte am Ulrichsberg. Sie brachen Absperrgitter auf und bewarfen die Gedenktafeln mit Farbbeuteln. Auf der Facebook-Seite „Autonome Antifa Kärnten“ brüstet sich mit der Tat ein „kommando z.a.l.a. 1997“, das den hiesigen Behörden bereits aus früheren Bekennerschreiben bekannt ist. „Zala“ war der Deckname einer titokommunistischen Partisanin in Kärnten.

In Göttingen gehören zerstörerische Attacken während der jährlichen Feierlichkeiten vor dem Soldatenehrenmal im Rosengarten schon genauso dazu wie die Patina auf der 2,30 Meter hohen Soldatenstatue. Sie soll an 2.848 im Deutsch-Französischen Krieg gefallene Soldaten erinnern und in nachträglicher Ergänzung an die Gefallenen der Weltkriege. In den achtziger Jahren wurde der Steinsoldat dreimal vom Sockel gerissen. 1988 schlugen Randalierer, mutmaßlich aus einem kommunistischen Bündnis, dem Soldaten den Kopf ab, ein Großaufgebot der Polizei mußte die Ehrenmalfeier mit 800 Gästen schützen. Eine Woche darauf gingen 30 dort niedergelegte Trauerkränze in Flammen auf. Die Stadtverwaltung gönnte dem Steinsoldaten einen neuen Kopf und einen Umzug in sicherere Gefilde. Auf der Ehrenmalanlage steht seither ein schlichtes Holzkreuz (siehe Foto). Obwohl Feiern und Proteste abnahmen, wird die Gedenkstätte bis heute immer wieder beschädigt und beschmiert.

Eine „Modernisierung“ der Erinnerungskultur widerfährt dieser Tage dem Ehrenmal in Asberg (Kreis Wesel). Da es zu verfallen drohte, wurden die Tafeln abgenommen, auf denen die Asberger Gefallenen des Ersten Weltkriegs eine letzte Notiz fanden. Im Zuge der Restaurierung sollen sich das Denkmal und der Park davor zu einem „Platz des Friedens“ entwickeln. In den Aussparungen, in denen bis vor kurzem die Namenstafeln hingen, werden nun die Portraits von „Flüchtlingen“ angebracht. Mosaiken sollen von Kindergartenkindern gestaltet werden.

Das niedersächsische Großburgwedel kapituliert vor der Zerstörungswut. 2010 wurde ein 22.000 Euro teures Mahnmal zerstört (JF 11/10) und bis heute nicht ersetzt, berichtet ein Anwohner. Die vormals Neue Evangelische Garnisonkirche im Berliner Stadtteil Kreuzberg kommt auf gut 25 Jahre, die sie nun eine knallrot beschmierte Gedenktafel an ihrer Außenfassade durch die Zeit trägt. Zur Reinigung bräuchte es eine Genehmigung des Denkmalamtes und das nötige Geld, erklärt lapidar ein Mitarbeiter der Gemeinde.

Die Farbspur der von ihrer treffsicheren Moral überzeugten Jugendlichen zieht sich durch die Jahrzehnte und durch Orte und Städte. Über viele Fälle berichtet, wenn überhaupt, nur die Lokalpresse: die Schändung der Gedenkstätte auf der Hohensyburg südlich von Dortmund, des Denkmals in Sehnde bei Hannover, des Ehrenmals in Gertenbach unweit Göttingen oder eine Vandalismus-Serie bei Clenze im Wendland ähnlich der in Bonn.

Statistiken hierzu führen weder die Denkmal- noch die Kriminalämter. „Nur sporadisch oder per Zufall erhalten wir Kenntnis von derartigen Sachbeschädigungen“, sagt der Sprecher des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege, Rainer Zittlau, der JF. Die mutwilligen Zerstörungen verurteile er als Denkmalpfleger wie als Bürger. „Unsere Aufgabe ist es, Kulturgut zu erhalten und dazu beizutragen, den Sinn von Kulturdenkmalen zu verstehen“, betont Zittlau. Das gelte auch für Denkmäler, die nicht mehr ins heutige Weltbild paßten: Sie seien dennoch Teil deutscher Geschichte. „Aufklärung steht immer vor Radikalisierung.“

Fotos: Kriegerdenkmal am Stadtwald in Waldkirch im Breisgau: 1932 errichteten Veteranenvereine trotz widriger wirtschaftlicher Umstände dieses Kreuz zum dauernden Andenken an Väter, Brüder und Söhne. Mitglieder des Sportvereins Waldkirch restaurierten es 2008 ehrenamtlich. Unterhalb der Inschrift „Unsern Helden“ schmierten Unbekannte Ende 2015 „Keine Helden, sondern Mörder!“; Bretzenheim Das Mahnmal „Feld des Jammers“ ist den Opfern des örtlichen Rheinwiesenlagers gewidmet. Gedenkstein und -kreuz haben Unbekannte mit grüner und rosa Farbe besudelt.; Bochum-Langendreer Der Figur des Soldaten mit abgenommenem Helm wurde rote Farbe ins Gesicht gegossen. Der abgeschlagene Kopf mußte bereits einmal ersetzt werden.; Berlin-Kreuzberg Das Denkmal für die 1914/18 gefallenen Garde-Pioniere („Vorwärts und durch“) an der Außenmauer der Kirche am Südstern ist mit Farbe beschmiert, der Soldatenfigur fehlt der Kopf.; Göttingen Einwanderungsslogan und satanistische Schmierereien am Ehrenmal im Rosengarten. 1925 errichtet, wurden in das Gedenken nach 1945 auch die Gefallenen aus den heimatlos gewordenen ostpreußischen Divisionen einbezogen.; Bochum-Wattenscheid Teilansicht des 1934 eingeweihten Ehrenmals für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Wattenscheider. Immer wieder Ziel linker Farbschmierereien; Kuppenheim bei Rastatt Die Namen der Gefallenen des Ersten Weltkriegs auf dem Kriegerdenkmal von 1934 sind mit kommunistischer Symbolik beschmiert, die Inschrift „Es starben für das Vaterland“ übermalt.; Bonn-Bad Godesberg Mater Dolorosa: Ende Oktober drangen Linksextremisten in die Herz-Jesu-Kirche ein und beschmierten Haupt und Beine der Christusfigur mit rosa Farbe sowie die Namen der in den Weltkriegen gefallenen Männer der Gemeinde.