© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/16 / 11. November 2016

Akut gefährdet
Engagierte Umweltschützer wollen Bayerns letzte Fließgewässer nicht der Energiewende opfern
Dieter Menke

Der Anteil der Wasserkraft an der deutschen Stromerzeugung ist mit unter vier Prozent äußerst bescheiden. In Österreich sind es mehr als drei Viertel, in der Schweiz über 55 Prozent. Die bayerische Staatsregierung möchte daher im Zeichen der Energiewende den Anteil der Wasserkraft an der Stromerzeugung erhöhen: von aktuell 15 auf 17 Prozent.

Eine Steigerung, die im nationalen Rahmen nicht ins Gewicht fällt und die auch für den Erfolg der Energiewende in Bayern als „nicht entscheidend“ einzustufen ist. Trotzdem sei man in München bereit, für ein marginales Strom-Plus und CO2-Minus die letzten Reste frei fließender Bäche und Flüsse zu opfern. Das sei ein viel zu hoher Preis, wie Helmut Beran, der stellvertretende Geschäftsführer des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) im Freistaat, kritisiert (Vogelschutz, 3/16).

Klage gegen den Dammbau im Naturschutzgebiet

Denn selbst nach Jahrzehnten der Regulierung böten unverbaute Wasserläufe in den Alpen und im Alpenvorland einer „hoch bedrohten“ Fauna und Flora wertvolle Lebensräume. Hingegen stünden ohnehin schon dezimierte Bestände kieslaichender Fischarten wie Äsche oder Bachforelle bei einem Zubau von Wasserkraftanlagen genauso auf dem Aussterbeetat wie Wasseramsel oder Flußuferläufer. 

Wie akut gefährdet dieses Bioverbundsystem ist, zeige die „gegen den Widerstand sämtlicher Fachbehörden“ durchgedrückte Genehmigung, die 2015 der Landrat des Kreises Oberallgäu für die Wasserkraftanlage Älpele an der Ostrach nahe der als Natura-2000-Gebiet besonders geschützten Eisenbreche erteilte. Mit dem Aufstauen dieses Fließgewässers ginge dessen „Charakter als Wildfluß“ verloren. Der LBV hat deswegen gegen den Dammbau im Naturschutzgebiet beim Verwaltungsgericht Augsburg Klage eingereicht und erwägt auch gegen ein weiteres Projekt im Allgäu, im Trettachtal bei Oberau, zu klagen, sollte das Landratsamt dafür grünes Licht geben.

Auch an der voralpinen Salzach zwischen Freilassing und Burghausen seien die geplanten, für Wasserkraftnutzung ausgelegten Querbauwerke zur angeblichen Sicherung der Gewässersohle „noch nicht vom Tisch“. Hier glaubt Beran jedoch, daß der LBV zusammen mit der lokalen Saalach-Allianz die Renaturierung der Salzach und sogar den Rückbau ihrer Seitenverbauungen samt Ausweitung des Flußbettes erreichen könne. Jedenfalls bestünde weder hier noch sonstwo in bayerischen Fließgewässer­ökosystemen weiteres Ausbaupotential zugunsten der Energiewende. 

Energieatlas des Wirtschaftsministeriums:  www.energieatlas.bayern.de 

Landesbund für Vogelschutz (LBV): www.lbv.de