© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/16 / 11. November 2016

Achtung, Drohne im Anflug!
Immer mehr Flugobjekte, immer leichtsinnigere Piloten: Der Massensport bringt Probleme für den Luftverkehr
Martina Meckelein

Anschläge auf Verkehrsflugzeuge mit Bomben, Panzerfäusten oder Flugabwehrraketen sind doch wirklich old-school! Einem Terroristen auf der Höhe der Zeit könnte heute eine kleine Drohne ausreichen. Die ist schon für einen Fünfziger in Supermärkten zu erstehen – mit drei Jahren Herstellergarantie. Im Ernst: Die aktuelle Gefahr für die zivile Luftfahrt geht von der Drohne für jedermann aus. Sie macht das Fliegen für jedermann möglich – und damit gefährlich. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) warnte schon im Mai 2015: „Drohnen gefährden den Flugverkehr!“

Aktuell schätzt die DFS 400.000 Drohnen am Himmel über Deutschland. Was sind das eigentlich für kleine kreischende Nervensägen, die uns fast täglich näher an den Leib rücken? Die vor dem Wohnzimmerfenster im fünften Stock ihren Kamerafokus auf unsere Fernsehgewohnheiten richten, oder die ferngesteuert im Blattwerk einer dicken deutschen Eiche ihren Batteriesaft aushauchen?

Beinaheunfall am Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel

Da gibt es zum einen das „unbemannte Luftfahrtsystem“ und zum anderen das „Flugmodell“. Und dabei unterscheidet der Gesetzgeber in Deutschland ganz profan nach dem Zweck des Gerätes. Das Flugmodell ist ein Spaßmobil, das unbemannte Luftfahrtsystem ein Fluggerät für Geschäftszwecke, zum Beispiel für Fotografen.

Seit dem 1. Juni 2015 gilt: Flugmodelle bis fünf Kilo Gewicht dürfen bis zu 30 Meter hoch über Grund fliegen, für unbemannte Luftfahrzeuge bis 25 Kilo sind dagegen bis zu 50 Meter Flughöhe erlaubt. Diese Regeln gelten für die sogenannte Kontrollzone, also in Flughafennähe. Für den Himmel direkt über dem Flughafen und im Umkreis von 1,5 Kilometern um den Flughafenzaun gilt jedoch ein grundsätzliches Drohnenverbot. Läßt man die Drohne etwas weiter weg vom Flughafen steigen, gilt die Vorgabe, daß die Drohnen nur in direkter Sichtweite des Steuerers, also des Piloten, der mit beiden Beinen auf der Erde bleibt, fliegen dürfen. Es gilt deshalb logischerweise ein Nachtflugverbot: Der Luftraum muß ständig beobachtet werden können. Bemanntem Flugverkehr ist auszuweichen. Weder dürfen Drohnen über Menschenmengen noch über militärischen Objekten, Krankenhäusern oder Kraftwerken fliegen. Wichtig: Grundsätzlich dürfen sie nicht im Umkreis der 16 internationalen Flughäfen in Deutschland abheben.

Doch viele der Drohnenpiloten kennen diese Regeln nicht. Oder setzen sich mutwillig über sie hinweg. In Hamburg, das als Mekka der Drohnenfliegerei gilt, ereignete sich am 14. Oktober ein Beinaheunfall zwischen einer Drohne und einem Verkehrsflugzeug im Landeanflug auf Fuhlsbüttel. In 1.500 Metern Höhe mußte der Flugkapitän der Drohne ausweichen, um einen Zusammenprall zu verhindern. Solch ein gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr ist ein Straftatbestand. Es drohen bis zu zehn Jahre Haft!

Der Hamburger Fall ist beileibe kein Einzelfall. Ute Otterbein von der DFS zur JUNGEN FREIHEIT: „Im Jahr 2015 gab es insgesamt 15 solcher Sichtungen. In den ersten drei Quartalen dieses Jahres waren es 55.“

Die DFS spricht in solchen Fällen von Sichtungen, weil sie die Meldung von den Piloten entgegennimmt. „Die Drohnen sind für uns bei der Flugsicherung nicht sichtbar“, so Otterbein. „Sie können von unseren Ortungssystemen, dem Radar, nicht erfaßt werden. Dafür sind sie zu klein beziehungsweise haben nicht die nötige Ausrüstung.“

Die Fluglotsen können die Meldung eines Piloten nicht überprüfen, folglich keine Abschätzung der Distanz der Drohne zum Flugzeug treffen. Damit nimmt die DFS diese Aussagen zur Kenntnis, erfaßt sie in einer Statistik, untersucht die Fälle jedoch nicht.

Ein weiterer Aspekt: Der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverband berichtete, daß die Zahl der Storchenbrut zurückginge. Grund: Drohnen, die über den Nestern kreisen.

Doch was läßt sich gegen die Drohnen machen? Die niederländische Polizei richtet seit Anfang des Jahres junge Weißkopfadler auf Drohnen ab. Weltweit einzigartig. Die Greifvögel schlagen nicht nur die Drohne in der Luft, sondern halten sie mit ihren Fängen fest und bringen ihre Beute sicher zur Erde. Damit sich die Vögel nicht an den Rotoren verletzen, werden spezielle Sicherheitsschuhe an ihren Krallen angebracht.

Die beiden Flugzeughersteller Airbus und Boeing arbeiten an technischen Lösungen zur Drohnenabwehr. Airbus tüftelt an einem elektronischen System, das die Steuerung der Drohnen übernehmen soll, Boeing an einer mobilen Laserkanone, die die modernen UFOs einfach abschießen soll.

Die Deutsche Flugsicherung hält es für richtig, eine Registrierungspflicht einzuführen: „Damit wäre es möglich, den Eigentümer im Falle eines Schadens zu ermitteln“, argumentiert Ute Otterbein. „Außerdem würde eine Registrierung auch ermöglichen, Informationen für Drohnenpiloten zu liefern. Und auch den Führerschein finden wir angemessen: Wer sich in die Luft begibt, ist ein Luftfahrer. Ein Luftfahrer benötigt Fachwissen. Sonst könnte es gefährlich werden.“