© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/16 / 18. November 2016

„Ich werde mich nicht entschuldigen“
„Rote Hilfe“: SPD-Politikerin Franziska Drohsel soll nicht Stadträtin werden / Ministerium schätzt sie als Expertin
Christian Vollradt

Es war ein Rückzug mit Ansage. Die SPD-Politikerin und ehemalige Juso-Bundesvorsitzende Franziska Drohsel hat ihre Kandidatur für den Posten als Stadträtin für Jugend und Soziales im Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf zurückgezogen. Die 36jährige Rechtsanwältin war in der vergangenen Woche im ersten Wahlgang durchgefallen, nachdem 30 der 55 Bezirksverordneten – hauptsächlich von CDU, FDP und AfD – gegen sie gestimmt hatten. 

Grund für die Ablehnung war Drohsels einstige Mitgliedschaft in der vom Verfassungsschutz als linksextrem eingestuften Organisation Rote Hilfe e.V. – und ihre mangelnde Distanzierung davon. Dies sei ein klarer Grund für die „Nichteignung“ der Kandidatin, meinte der CDU-Fraktionsvorsitzende Torsten Hippe: „Sie distanziert sich zwar von jeder Form von Gewalt, nicht jedoch eindeutig von der Organisation insgesamt.“ 

„Juristische Kompetenz   ist nachgewiesen“

Vor neun Jahren war die damalige Bundesvorsitzende der Jungsozialisten in der SPD nach Berichterstattung der JUNGEN FREIHEIT wegen ihrer Mitgliedschaft in der Roten Hilfe unter Druck geraten. Drohsel war daraufhin Ende November 2007 aus der Organisation ausgetreten (JF 50/07); begründet hatte sie ihren Schritt jedoch damit, daß „die Jusos nicht aufgrund ihrer politischen Positionen, sondern wegen meiner privaten Mitgliedschaft bei der Roten Hilfe wahrgenommen“ würden. Bezeichnend ist, daß die Organisation ihre Unterstützung für inhaftierte linke „Aktivisten“ einstellt oder kürzt, wenn diese sich von den Taten distanziert haben. 

Der Berliner Verfassungsschutz hatte Drohsel noch im Jahr 2009 dafür kritisiert, daß sie an einer Demonstration für drei mutmaßliche Mitglieder der linksextremen Untergrundorganisation Militante Gruppe (MG) teilgenommen hatte, die zuvor wegen eines versuchten Brandanschlags sowie der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verurteilt worden waren. 

Auf ihrer Facebook-Seite erläuterte Drohsel nun, sie könne ihre „politische Identität“ als Linke nicht verleugnen: „Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, Mitglied einer linken Selbsthilfeorganisation gewesen zu sein.“  

Weniger als die Steglitzer Bezirksverordneten sorgt sich unterdessen das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend um die Verfassungstreue der promovierten Juristin Drohsel. Das Ressort von Manuela Schwesig (SPD) arbeitet an einem „Gesetz über die Verstetigung von Maßnahmen zur Demokratieförderung“, kurz Demokratieförderungsgesetz (DFördG). Ziel dieses neuen Gesetzes, von dem in der von Schwesig im Juli dieses Jahres gemeinsam mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vorgestellten „Strategie zur Extremismusprävention und Demokratieförderung“ noch keine Rede war, ist es, den „auf der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und ihren Prinzipien beruhenden“ Zusammenhalt in der Bundesrepublik zu stärken. 

Vor allem aber sollen, so heißt es in einem Referentenentwurf, der der jungen freiheit vorliegt, durch eine gesetzliche Verankerung die Finanzmittel im – darauf läuft es bekanntlich hinaus – „Kampf gegen Rechts“ gesichert werden. Damit die Organisationen der „Zivilgesellschaft“, die auf solche Gelder angewiesen sind, „Planungssicherheit“ haben, möchte das Ministerium einen „festen jährlichen Mindestbetrag an Haushaltsmitteln gewährleisten“ – die Rede ist von hundert Millionen Euro. 

Berufen kann sich das Familienministerium dabei auf ein wissenschaftliches Gutachten, erstellt vom Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis – „unter Mitarbeit von Rechtsanwältin Dr. Franziska Drohsel“. Kostenpunkt: 17.850 Euro – inklusive Mehrwertsteuer. Aber was sagt Schwesigs Ministerium zur Mitverfasserin Drohsel und ihrer früheren Rote-Hilfe-Mitgliedschaft? „Renommee und fachliche Expertise“ des Gutachters Battis sprächen für sich“, teilte ein Ministeriumssprecher auf Anfrage der JF mit. Und weiter: „Die juristische Kompetenz von Frau Dr. Drohsel ist nachgewiesen.“ 

Verträgt sich denn die Tätigkeit des ehemaligen Rote-Hilfe-Mitglieds mit der Tatsache, daß laut Bundesregierung auch die Präventionsarbeit gegen Linksextremismus und damit verbunden der „linken Militanz“ gefördert werden soll? Den Rahmen für diese Arbeit gebe das Grundgesetz vor: „Eine ideologisch oder politisch gefärbte Arbeit wird nicht gefördert“, so die lapidare Antwort aus dem Hause Schwesig. 

Bereits 2013 hatten Battis und Drohsel mit einem weiteren Gutachter die „Rechtlichen Möglichkeiten zur Verstetigung der finanziellen Mittel zur Demokratieförderung und Bekämpfung des Neonazismus“ erörtert und dem Bund die entsprechende gesetzgeberische und finanzverfassungsrechtliche Kompetenz attestiert. Damals im Auftrag von unter anderem der Amadeu-Antonio-Stiftung sowie zahlreicher weiterer „zivilgesellschaftlicher“ Organisationen, die öffentliche Gelder im „Kampf gegen Rechts“ beziehen. Dennoch steht für das Familienministerium „die gutachterliche Neutralität“ außer Frage, heißt es auf Anfrage der JF.