© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/16 / 18. November 2016

„Rollback in schlechte alte Zeiten“
Amerikanische Präsidentenwahl: Die Berliner Politik hat teilweise geradezu hysterisch auf den Sieg Donald Trumps reagiert / Gelassene Töne sind die Ausnahme
Martin Voigt

Gratuliert hat er dem frisch gewählten 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika nicht, der deutsche Außenminister. Er wolle nichts „schönreden“, kommentierte Frank-Walter Steinmeier (SPD) die Wahl Donald Trumps: „Nichts wird einfacher, vieles wird schwieriger“, denn nun stünden „unvorhersehbare Zeiten“ bevor, so Berlins Chefdiplomat, kurz bevor er auch von der Union zum Kandidaten für das höchste deutsche Staatsamt nominiert wurde.  

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bot Trump eine „enge Zusammenarbeit“ an, auf der Basis gemeinsamer Grundwerte, die sie dem designierten US-Präsidenten noch einmal in Erinnerung rief: „Demokratie, Freiheit, der Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung.“

Unverhohlen echauffierte sich der Wirtschaftsminister und SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel: „Trump ist der Vorreiter einer neuen autoritären und chauvinistischen Internationalen. Er ist auch eine Warnung an uns.“ Gabriel sieht im künftigen Bewohner des Weißen Hauses einen Repräsentanten der „autoritären Internationalen“, der es „um ein echtes Rollback in die schlechten alten Zeiten“ gehe. „In denen Frauen an den Herd oder ins Bett gehörten, Schwule in den Knast und Gewerkschaften höchstens an den Katzentisch.“ 

Anders CSU-Chef Horst Seehofer: „Für die schwierigen Aufgaben, die jetzt vor Donald Trump liegen, wünsche ich politische Weitsicht, Mut zum Ausgleich, eine glückliche Hand und Gottes Segen“, gratulierte der bayerische Ministerpräsident. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt fühlte sich hingegen bemüßigt, auf Twitter daran zu erinnern, daß schließlich der 9. November sei. Auch für Dietmar Bartsch, den Fraktionschef der Linkspartei, war die Welt „aus den Fugen geraten“. Von einem „Schock“, einem „großen Alarmzeichen“ sprach Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und von einer „bitteren Warnung“ ihr Parteikollege Heiko Maas. Der Justizminister betonte: „Wir müssen die Ursachen für Angst, Haß und Abschottung noch entschlossener bekämpfen.“

Nicht alle Politiker hatten die Wahlnacht durchgemacht. Katja Suding zum Beispiel, die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende teilte Folgendes mit: „Wache schweißgebadet aus meinem Albtraum auf. Und stelle fest, daß er Realität geworden ist.“ 

Andere wiederum konnten schon vor der Wahl kaum an sich halten: Ralf Stegner, der stellvertretende SPD-Vorsitzende, war zuvor in die Staaten gereist und von Haus zu Haus gezogen, um die Wähler dort ganz persönlich von Hillary Clinton zu überzeugen. In der Wahlnacht hielt er sein Publikum mit Kurznachrichten à la „noch ist nichts klar“ oder „wir zittern und twittern mit Hillary“ auf dem laufenden. Irgendwann am Morgen entlud sich die Spannung: „Wenn dieser Rechtspopulist und sexistische Haßprediger US-Präsident wird, dürfen wir uns auf einen politischen Kälteschock gefaßt machen.“ 

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wählte ein ähnliches Sinnbild: „Wir kommen jetzt in eine Phase des Vakuums.“

Der Fassungslosigkeit in den etablierten Parteien steht die ostentativ geäußerte Freude der AfD über das Wahlergebnis jenseits des großen Teichs gegenüber. Als „Signal für Deutschland“ werteten es die beiden Bundessprecher Jörg Meuthen und Frauke Petry. „Es war eine Botschaft an die Nationalstaatsrealisten, daß die One-World-Phantasten und Grenzenniederreißer sich künftig für die Folgen ihres Tuns zu verantworten haben werden“, schrieb Petry in einem Gastkommentar für die Internetseite der JUNGEN FREIHEIT. Und sie kündigte an: „Wir gehören zu denen, die dafür sorgen, daß das Pendel auch hierzulande zurückschwingt.“

Mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 warnte der Unionsfraktionsvize Hans-Peter Friedrich (CSU) vor einem „Trump-Effekt“ in Deutschland. Er resümierte, Trump sei „der Ausdruck des Willens der Amerikaner, über ihr Land selbst zu bestimmen“. Diesen Wunsch hätten „erkennbar auch immer mehr Menschen in Deutschland und Eu­ropa“. Sie fühlten sich fremdbestimmt – etwa von der EZB, bei TTIP und der Einwanderung. „Wenn sie von den Volksparteien keine Antworten bekommen, werden sie sich auch bei uns den Populisten zuwenden“, mahnte der CSU-Politiker.