© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/16 / 18. November 2016

AfD-Chef Meuthen will „staatlich erzwungene private Vorsorge“
Lizenz zum Abzocken
Jörg Fischer

Laut einer Insa-Umfrage liegt die AfD derzeit bei 14,5 Prozent und im Lichte der Brexit- oder Trump-Erfahrung könnte die Partei bei der Bundestagswahl 2017 zweitstärkste Kraft sein. Offenbar um das zu verhindern und der politischen Konkurrenz eine Steilvorlage zu liefern, hat AfD-Chef Jörg Meuthen in der Welt einen „Systemwechsel in der Rentenversicherung“ und eine „staatlich erzwungene private Vorsorge“ gefordert.

Angesichts von Euro- und Finanzkrise, Negativzinsen oder existenzbedrohten Banken, Lebensversicherungen und Bausparkassen eine Abkehr von der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) zu diskutieren, ist politischer Selbstmord. Nach Abgaben, Steuern, Ökostromumlage, GEZ und Maut künftig noch eine gesetzliche Pflicht zum Riestern? Das läßt bei den 277.000 Maklern und Versicherungsvermittlern die Sektkorken knallen, aber das fordert nicht einmal der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), der mit einem „sanften Zwang“ zufrieden wäre: Arbeitsverträge sollten automatisch eine zusätzliche Altersvorsorge enthalten, es sei denn, der Arbeitnehmer widerspreche, so der Wüstenrot- und GDV-Chef Alexander Erdland. Die Allianz verlangte mehr Steuerzuschüsse für Privatrentenverträge.

Neu ist Meuthens „neoliberaler“ Vorschlag keineswegs. Ex-Sozialminister Walter Riester (SPD) jammert noch heute als gutbezahlter Gastredner bei der Finanzbranche davon, daß er 2002 keine obligatorische Pflichtversicherung durchsetzen konnte. Auch die „Agenda 2020“ von CDU-Politikern wie Jens Spahn verlangt eine „kapitalgedeckte“ GRV-Ergänzung, die „für jeden obligatorisch“ werden solle. Eine wirkliche Alternative wäre jedoch ein Systemwechsel bei der GRV: Statt den Sozialtransfer von Eltern an Kinderlose zu finanzieren, sollten Beiträge und Rentenansprüche familengerechter gestaltet werden. Ansonsten sollte jeder selbst frei wählen: Kindererziehung oder Eigenvorsorge – aber alles ohne eine weitere Lizenz zum Abzocken für Banken und Assekuranz.