© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/16 / 18. November 2016

Allah um Hilfe anflehen
Ein Jahr nach dem Bataclan-Terroranschlag: Popsänger Sting eröffnete die Gedenkfeier mit einem Flüchtlingslied
Thorsten Hinz

Ein Konzert des britischen Sängers Sting im Pariser Club Bataclan, wo vor einem Jahr 90 Konzertbesucher von islamistischen Attentätern ermordet worden waren, läutete vorige Woche die Gedenkfeiern zum Jahrestag der Anschläge ein. Der 65jährige trug seinen neuen Song „Inshallah“ („So Gott will“) vor, der von verzweifelten Flüchtlingen im Mittelmeer handelt, die Allah um Hilfe anflehen. Musikalisch ist es ein fader Aufguß früherer Hits, textlich eine sentimentale Schnulze: Ein Vater versucht sein Kind zu beruhigen („Sleeping child, on my shoulder“), die See ist kalt, es herrscht Finsternis, und natürlich reimt sich die Angst („fears“) auf Tränen („tears“). Ergo: Ein alternder Popstar versucht seinen Ruhm durch ein politisches Bekenntnis zu erneuern. Kurz zuvor hatte Sting kundgetan, Merkels Flüchtlingspolitik großartig zu finden, für die Probleme, die sich daraus ergeben, aber auch keine Lösung parat zu haben. Also löst er sie in Tränenseligkeit auf.

Er kann aber nicht verhindern, daß der Refrain „Inshallah“ daran erinnert, daß die Mörder im Bataclan ihr Schlachtfest unter dem Ruf „Allahu akbar“ (Gott ist größer) feierten. Gewiß, gewiß, man darf sie nicht mit „dem Islam“ identifizieren. Trotzdem ist Stings Vortrag so geschmacklos, als würde man auf Gedenkfeiern für die Opfer totalitärer Regimes deren Hymnen mit der Begründung variieren, daß sich unter ihren Parteigängern ebenfalls viele von ehrlichem Idealismus erfüllte Menschen befunden hätten.

In der Konsequenz stellt Sting die Bataclan-Morde in einen europäischen Schuldzusammenhang. Nicht nur Politik, Medien und Kirchen haben zur Not des Kontinents nichts mehr mitzuteilen, auch die alten Pop-Götter sind längst in die Gefilde des Schwachsinns entrückt.