© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/16 / 18. November 2016

Gestützt auf Pfeiler und Streben
Stadtgestaltung: Der Bund bewilligt 62 Millionen Euro für den Wiederaufbau der Berliner Bauakademie von Karl Friedrich Schinkel / Fertigstellung bis 2021?
Peter Möller

Der Schinkelplatz ist einer der schönsten Plätze Berlins. Er liegt am Kupfergraben, einem der beiden Spree-Arme, die Berlins historische Mitte durchziehen. Am gegenüberliegenden Ufer ragt die bereits fast vollständig rekonstruierte Fassade des Stadtschlosses mit dem mächtigen Eosanderportal und der Kuppel empor. Der Bau der Kommandantur, in dem heute die Bertelsmann-Stiftung residiert, schirmt den kleinen Platz, auf dem unter anderem ein Denkmal des großen preußischen Baumeisters Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) steht, von der nahen Prachtstraße Unter den Linden ab.

Nach Westen hin begrenzen einige recht gelungene Neubauten den Platz. Deren Bau hat der benachbarten und von Schinkel erbauten Friedrichswerderschen Kirche allerdings arg zugesetzt (JF 8/16). Die Südseite des hübschen Platzes, der in den neunziger Jahren rekonstruiert worden war, mutet dagegen kurios an. Denn hier simuliert seit Jahren eine bedruckte Plane die Fassade der 1962 abgerissenen berühmten Bauakademie Schinkels. Der im Krieg ausgebrannte, aber zum Wiederaufbau vorgesehene Bau hatte ebenso wie der Schinkelplatz dem klotzigen Riegel des DDR-Außenministeriums weichen müssen, der seinerseits bereits Mitte der neunziger Jahre wieder abgerissen wurde. 

Doch die Tage der auf ein Baugerüst gespannten Schaufassade sowie einer 2001/2002 zu Demonstrationszwecken errichteten Ecke des Gebäudes, sind gezählt. In der vergangenen Woche bewilligte der Haushaltsausschuß des Bundestages überraschend 62 Millionen Euro für den Wiederaufbau der von 1831 bis 1836 errichteten Bauakademie. Nun könnte alles ganz schnell gehen. Bereits für das kommende Jahr wurden eine Million Euro für die konkrete Planung des Wiederaufbaus bereitgestellt. Wenn alles klappt, könnte der Bau zum 185. Jahrestag der Bauakademie 2021 fertiggestellt sein.

Mit der Bauakademie, in der künftig ein Architekturmuseum untergebracht werden soll, bekommt Berlin eines der bedeutendsten Bauwerke des 19. Jahrhunderts zurück. Mit ihren unverputzten „rohen“ Ziegeln (Originalton Schinkel 1831: „Der Bau wird in Backstein ausgeführt und bleibt in seinem Äußeren ohne Übertünchung und Abputz“) nimmt die Bauakademie die Tradition der norddeutschen Backsteingotik des Mittelalters auf. Durch ihre serielle Bauweise gilt sie gleichzeitig aber als erster architektonisch bedeutsamer Industriebau in Deutschland und als Vorläufer der modernen Skelettbauweise, bei der nicht mehr die Fassaden die Hauptlast des Gebäudes tragen, sondern die Innenkonstruktion aus Pfeilern und Streben.

Neobarocke Kolonnaden aus der Kaiserzeit?

Der Wiederaufbau der Bauakademie war eigentlich schon seit Jahren beschlossene Sache und wurde – anders als die Rekonstruktion des benachbarten Stadtschlosses – kaum kontrovers diskutiert. Doch fehlte es bislang am nötigen Geld. Anders als beim Schloß, das seine historische Fassade dem unermüdlichen Spendensammeln Wilhelm von Boddins verdankt, kamen ähnliche Initiativen bei der Bauakademie nie richtig in Fahrt. Der Berliner Unternehmer Hans Wall hatte daher noch Ende Oktober öffentlich darüber nachgedacht, 50 Millionen Euro aus seinem Privatvermögen zu spenden, um den Wiederaufbau endlich voranzubringen. Doch nach dem 62-Millionen-Euro-Beschluß des Bundestages ist dies nun nicht mehr nötig.

Während die Entscheidung des Haushaltsausschusses zur Bauakademie einhellig auf Zustimmung stieß, sorgte eine weitere Weichenstellung des Gremiums nicht nur in Berlin für Erstaunen. Denn das Parlament bewilligte auch 18,5 Millionen Euro für den Wiederaufbau der Kolonnaden des einstigen Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals an der Schloßfreiheit.

Das gegenüber der Bauakademie gelegene monumentale Denkmal zu Ehren Kaiser Wilhelms I. war 1897 eingeweiht worden. Es wurde von einem neun Meter hohen Reiterstandbild des Kaisers dominiert, das an drei Seiten von Kolonnaden aus Sandstein umgeben war. Das SED-Regime ließ das imposante Nationaldenkmal 1950 parallel zur Sprengung des Stadtschlosses abtragen; das von Reinhold Begas geschaffene Reiterstandbild wurde eingeschmolzen. Einzig der aufwendig fundamentierte Sockel, der weit in den Kupfergraben hineinragt, blieb bis heute erhalten.

Der Bundestag hatte 2007 beschlossen, auf diesem Fundament bis 2015 ein Einheits- und Freiheitsdenkmal zur Erinnerung an die Revolution in der DDR zu errichten. Doch im April dieses Jahres stoppte das Parlament die Pläne, die eine überdimensionale begehbare Wippe vorgesehen hatten, endgültig. Statt der infantil anmutenden „Bürgerwippe“, die weniger ein gelungenes Denkmal für die Einheit als vielmehr ein Beleg für die Unfähigkeit der Bundesrepublik geworden wäre, mit historischen Gedenktagen angemessen umzugehen, nun also die neobarocken Kolonnaden aus der Kaiserzeit? Schwer vorstellbar, daß sich der künftige rot-rot-grüne Senat darauf ohne weiteres einläßt. Doch als Grundlage für die neue Diskussion über die Gestaltung des Einheits- und Freiheitsdenkmals ist die ästhetisch ansprechende Kolonnaden-Idee nicht mehr aus der Welt zu schaffen.