© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/16 / 18. November 2016

Der Flaneur
Lichtsignale in der Stadt
Paul Leonhard

Abrupt wird mein Spaziergang unterbrochen. Die Fußgänger­ampel in einer mitteldeutschen Großstadt schaltet vor mir auf Rot. Ein Ampelmännchen breitet seine Arme aus. Doch halt, es ist gar kein Männchen, sondern eine Frau. Oder sollte man Frauchen sagen? Die Weiblichkeit der Figur unterstreichen zwei kecke Zöpfe und ein für die Jahreszeit zu kurzer Rock. Als die Anlage für mich wieder auf Grün schaltet, ist es das vertraute Männchen, das mir anzeigt, daß ich jetzt flotten Schrittes die Straße queren kann. Warum trägt eigentlich die männliche Figur auf der Ampel einen Hut und die weibliche zeigt Bein? Und wieso stoppt die Frau den Verkehr und der Mann sorgt wieder für Bewegung? Was haben sich die Verkehrsplaner dabei gedacht, sinniere ich, während ich mich der nächsten Lichtsignalanlage nähere.

Was soll nun das? Dürfen Männer nicht mit ihrem Nachwuchs spazierengehen?

Diesmal leuchtet ein Männchen rot auf, während mich gefühlte fünf Minuten später die Ampelfrau zum Weitergehen animiert. Ich drehe mich um und entdecke, daß in der Gegenrichtung ein Ampelmann den Passanten Beine macht. Zumindest in der Innenstadt scheinen die nicht geschlechtsneutralen Bilder der Lichtsignalanlagen exakt je zur Hälfte mit weiblichen und männlichen Figuren ausgestattet.

Ich muß grinsen. Was hatten doch die Politiker für den Erhalt des zu DDR-Zeiten erfundenen sympathischen Ampelmännchens gekämpft. Die Feministinnen der neuen Republik hatten es dann durch die Ampelfrau ergänzt. Sogar die neuen Container am Busbahnhof zeigen Piktogramme, bei denen einmal eine weibliche Figur etwas in den Behälter wirft und dann eine männliche.

Freilich gibt es da noch dieses Verkehrsschild, auf dem eine weibliche Figur (Rock) ein kleines Kind an der Hand führt. Was soll nun das? Dürfen Männer nicht mit ihrem Nachwuchs spazierengehen? Im nicht weit gelegenen Polen ist das anders. Da wird ein Kind auf blauem Grund ganz eindeutig von einem Mann (lange Hosen) geführt. Der trägt übrigens keinen Hut. Aber im Nachbarland haben seit Jahresfrist ja auch die Konservativen den Hut auf. Ich schreite weit aus.