© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/16 / 25. November 2016

Kämpfer im vorpolitischen Raum
USA: Die vielschichtigen Thesen der „Alt-Right“ erhitzen die Gemüter – wer und was steckt dahinter?
Thorsten Brückner

Nach dem Wahlsieg Donald Trumps geht ein Gespenst um im politischen Amerika. Das Gespenst der Alternativen Rechten, kurz „Alt-Right“. Es handelt sich hierbei um ein eher junges Phänomen. Vor 2015 konnten nur Politikwissenschaftler etwas mit dem Begriff anfangen. „Alt-Right“ ist mehr ein Sammelbegriff für rechte Positionen außerhalb des Mainstreams, denn eine ideologisch klar abgrenzbare Bewegung.

 Häufig wird der Begriff als Kampfbegriff verwendet: Alt-Right gleich böse. Dabei ist die Bewegung vielschichtig und mehr oder weniger nur virtuell präsent, so daß die Frage berechtigt wäre, ob man überhaupt von einer Bewegung sprechen kann. National-Review-Redakteurin Eliana Johnson charakterisiert die Alt-Right als „amorphe Internetbewegung“. 

 Vielfältige Meinungen – Trump als einendes Band 

Hier firmieren Putin-Anhänger, Globalisierungskritiker, Freihandelsgegner, Verschwörungstheoretiker, enttäuschte Libertäre, Paläokonservative und Anti-Feministen. Die meisten verstehen sich mehr als Vorkämpfer im vorpolitischen Raum. Politisch setzen sie mehrheitlich große Hoffnungen auf Trump. Reformen sollen sich ihrer Meinung nach mehr an Identitätsaspekten denn an der Verfassung orientieren. Zur Durchsetzung von Forderungen begrüßen sie populistische Methoden. Außenpolitisch ist die einigende Klammer die Kritik am Neokonservatismus mit seinen Interventionen im Nahen Osten.

 Unter dieses bereits ausgesprochen  heterogene Völkchen mischen sich allerdings noch umstrittenere Figuren, die nicht nur illegale Einwanderung, sondern Amerikas verfaßte Gesellschaft   grundsätzlich ablehnen. Ein Teil von ihnen wiederum wünscht sich die Dominanz des weißen Mannes zurück oder auch nur eine Steuerung der Einwanderung auf ethnischer Grundlage. 

Zu Verkündern dieser These gehört auch eine Frau, die als Trumps Unterstützerin der ersten Stunde gelten kann: Ann Coulter. Der Titel ihres neuen Buches ist für Coulters Kritiker bezeichnend. Aus dem nationalen Motto „In God we trust“, machte sie kurzerhand: In Trump we trust. Ein häufiger Vorwurf gegen die „Alt-Right“ ist ihre kritische Haltung zum Christentum. Coulter, selbst erklärte Gegnerin von Abtreibung, sagte über Trump, sie würde ihn auch dann noch unterstützen, wenn er persönlich Abtreibungen im Weißen Haus vornehmen würde, solange er sich an sein Versprechen erinnere, Illegale zu deportieren.

Für Coulter steht fest, daß sich der Charakter Amerikas fundamental verändern würde, wenn Weiße zur Minderheit werden. Trumps Einwanderungsplan inklusive der Mauer zu Mexiko bezeichnet sie als „das größte politische Dokument seit der Magna Charta“. Gleichzeitig zeigt sie große Sympathien für die ökonomisch marginalisierte schwarze Minderheit, die für sie ebenso zur alteingesessenen Bevölkerung gehört und durch die Einwanderung lateinamerikanischer Billigarbeiter massiv gelitten hat. Ein rein ethnozentrisches Weltbild kann man Coulter daher nur schwer unterstellen.

Wenn in den Medien von „Alt-Right“ die Rede ist, taucht im selben Atemzug meist der Name eines Mannes auf, ohne den die Wahl Trumps kaum vorstellbar gewesen wäre: Steve Bannon, der als Chefredaketur von Breitbart News der „Make America great again“-Revolution einen publizistischen Weg bahnte und der später Wahlkampfmanager von Trump wurde. Vergangene Woche ernannte ihn dieser zum Chefstrategen im Weißen Haus. Breitbart nannte Bannon „die Plattform für die alternative Rechte“. 

Rechtsradikale fühlen sich magisch angezogen 

Auf diversen TV-Kanälen muß er sich nun als Rassist und Antisemit beschimpfen lassen. Beweise bleiben seine Ankläger dabei oft schuldig. Als Kronzeugin muß da schon seine Ex-Frau herhalten, die ihm vorwirft, in den 90ern die gemeinsamen Kinder nicht auf eine Eliteschule in Los Angeles geschickt zu haben, weil diese von zu vielen Juden besucht werde. Bannons Lebenswandel scheint solche Vorwürfe zu konterkarieren. 

Einer der Redakteure bei Breitbart, auf die er größte Stücke hält, ist Joel Pollak, ein orthodoxer Jude und bekennender Zionist. Harvard-Professor Alan Dershowitz, ebenfalls Jude, mahnt zu Vorsicht, Antisemitismusvorwürfe inflationär zu gebrauchen. Gleichzeitig sieht auch Dershowitz eine starke Anziehungskraft Bannons in rechtsradikalen Kreisen. 

Zu diesen Leuten gehören Richard Spencer und Steve Sailer, die Bannon selbst als die geistigen Vordenker der Bewegung ausgemacht hat. Spencer ist bekennender „weißer Nationalist“, Sailer beschäftigt sich in seinen Publikationen gerne mit  „genetischen Rassenunterschieden“. Spencer ist auch Chef des nationalistischen Thinktanks „National Policy Institute“ und Gründer des Blogs alternativeright.com.

 In Interviews wünscht er sich einen weißen Ethnostaat, ein Territorium auf dem Gebiet der USA, das weißen Amerikanern als „Homeland“ vorbehalten bleiben sein soll. Über ein solches Homeland sagt er: „Es wäre eine neue Gesellschaft, die auf ganz anderen Idealen fußt als beispielsweise die der Unabhängigkeitserklärung“. „Vermischt“ mit anderen Ethnien zu leben habe nicht funktioniert, so Spencer. Ihm ist die europäische Identität Amerikas wichtiger als Prinzipien der US-Verfassung: „Amerika definiert sich nicht in erster Linie durch die Verfassung, sondern als Land von Menschen europäischer Abstammung. Ich will, daß meine Leute überleben, und dafür müssen wir uns wieder daran erinnern, wer wir sind.“ Seine Mahnung an weiße Amerikaner: „Wir brauchen mehr Rassebewußtsein.“ Zwischen dem Ku-Klux-Klan und seiner Bewegung sieht er „einige Gemeinsamkeiten“. Auch hat Spencer keine Hemmungen, mit Leuten wie Jared Taylor zusammenzuarbeiten, der sich offen „gegen die Vermischung der Rassen“ wendet.

Hingegen ist Sailer ein Kritiker eines weißen Nationalismus, wie ihn etwa Spencer vertritt. Sein Konzept: „Citizenism“. Die Regierung müsse sich dem Wohlergehen der im Land lebenden Amerikaner verpflichtet fühlen. Dies gilt für ihn über ethnische Grenzen hinweg und erinnert mehr an Coulter als an die Ideen Spencers. Zur alternativen Rechten zählt sich selbst auch Andrew Anglin, der die Nazi-Seite „The Daily Stormer“ betreibt. Sein Medium bezeichnet er als Publikation für weiße Revolutionäre. Sich selbst nennt er stolz einen Antisemiten und kritisiert die angeblich von Juden kontrollierten Medien in den USA.  „Trump repräsentiert die Rückkehr der weißen Rasse“, begründet er seine Unterstützung für den gewählten Präsidenten.

 Eine wiederum ganz andere Position vertritt der ebenfalls der alternativen Rechten zugerechnete britische Journalist Milo Yiannopoulos, der vor allem durch die ständigen Sperrungen seines Twitter-Accounts Berühmtheit erlangte. Anders als Spencer und Sailer verfolgt er einen eher libertären Ansatz. Mit Einwanderung hat er prinzipiell keine Probleme. Er beklagt aber, daß „Horden von homophoben Muslimen in den Westen importiert“ werden. „Ich möchte nicht von einem Gebäude geworfen, gesteinigt oder geköpft werden“, erklärt der bekennende Homosexuelle seine Kritik an muslimischer Einwanderung. Zudem machte sich der 32jährige, der auch eine eigene Radiotalkshow moderiert, als Anti-Feminist einen Namen.

 Zwischen der alternativen und der klassischen Rechten gibt es durchaus inhaltliche Überschneidungen. Beide lehnen etwa illegale Einwanderung ab, beide Programme zur Förderung von Minderheiten. Die Motive dafür sind jedoch häufig grundverschieden. Während etwa ein an Verfassungsprinzipien orientierter Tea-Party-Konservativer in den USA „Affirmative Action“ ablehnt, weil er grundsätzlich gegen die Förderung jeglicher gesellschaftlicher Gruppen ist und als Urheber dererlei Programme einen aus dem Ruder gelaufenen Fürsorge- und Gängelstaat identifiziert, hätten einige Anhänger der Alt-Right kein Problem mit einer gezielten Förderung für Weiße.

Bei der Auswahl der Medien gibt es ebenfalls Überschneidungen. Verfassungskonservative lesen Breitbart, ebenso wie Alternative Rechte Fox News schauen. Dies obwohl der Sender keine personellen Überschneidungen mit der „Alt-Right“ aufweist, allerdings differenziert bis wohlwollend über sie berichtet.

 Überhaupt ist der mediale Umgang mit der Alternativen Rechten eher von Emotionen und Spekulationen als  Fakten geprägt. Zum Chefkritiker der Alt-Right avanciert der verfassungskonservative Radio- und TV-Moderator Glenn Beck, der der Bewegung offen rassistische Tendenzen vorwirft und in ihr eine Gefahr für den sozialen Frieden im Land sieht. Eine Bewegung, die sich nicht klar von Spencer, Taylor oder Anglin distanziert, wird mit solchen Anschuldigungen wohl weiter leben müssen. Helfen könnte den Internetrevolutionären allerdings die Kurzschlußreaktionen ihrer Kritiker. Die Sperrung zahlreicher Twitter-Accounts von Köpfen der Bewegung (darunter der von Spencer) stoßen auch bei klassischen Konservativen auf heftige Kritik.





Denkfabrik: National Policy Institute 

Das National Policy Institute (NPI) wurde 2005 von William Regnery II in Augusta, Georgia gegründet. Es handelt sich dabei um einen seit 2013 im Bundesstaat Montana beheimateten Thinktank für weiße nationalistische Strömungen, der regelmäßige Konferenzen veranstaltet, Publikationen veröffentlicht und ansonsten über seinen Youtube-Kanal sowie den Blog seines aktuellen Vorsitzenden Richard Spencer mit der Öffentlichkeit kommuniziert.  Das NPI versteht sich als kulturelle Avantgarde der Alternativen Rechten. Im Missionsauftrag heißt es: „Das NPI setzt sich dafür ein, das Bewußtsein von Weißen voranzutreiben, unseren biologischen und kulturellen Fortbestand sowie unsere Bürgerrechte sicherzustellen.“ – „Für unser Volk, unsere Kultur, unsere Zukunft“, lautet das Motto.

Foto: Protest gegen Alt-Right-Ikone Steve Bannon im Weißen Haus / Derselbe mit Donald Trump im Gettysburg Militärpark (r.): Amerika zusammen größer machen