© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/16 / 25. November 2016

„Selbstaufgabe-Politik des heutigen Merkel-Deutschlands“
Die „Jüdische Rundschau“ kritisiert die deutsche Flüchtlingspolitik und Islam-Unterwürfigkeit
Ronald Berthold

Mehrfach täglich veröffentlicht die Jüdische Rundschau auf Facebook redaktionelle Texte. Auch konservative Nutzer schätzen den dortigen Auftritt des Blattes, das seit Juli 2014 monatlich am Kiosk erscheint. Sie teilen und markieren Artikel mit „Gefällt mir“, die sich kritisch über die Zuwanderungspolitik sowie den Islam äußern. Und da nimmt die Zeitung kein Blatt vor den Mund. Sie spricht von „peinlicher, selbstverleumderischer Islamanbiederung“, nennt die Uno eine „Unnütz-Organisation“, die sich unter der „unsäglichen US-Präsidentschaft Barack Obamas“ zur „kritiklosen Pro-Islam-Arena des militanten muslimischen Welteroberungsanliegens“ entwickelt habe.

Solche Töne sind in der deutschen Medienlandschaft selten und ernten daher Beachtung. Doch wer steckt hinter der Jüdischen Rundschau? Das Impressum der Online-Ausgabe nennt keinen Herausgeber. Und hinter den Worten „Redaktion“ und „Layout“ stehen keine Namen. Lediglich ihren Administrator führt das Medium auf.

Wer die Zeitung aufschlägt, findet jedoch als erstes die „Kolumne des Herausgebers“. Der heißt Rafael Korenzecher. Der promovierte Mediziner ist eine schillernde Figur, über deren Vita im Internet so gut wie nichts zu finden ist. Eine Suche im Handelsregister ergibt jedoch, daß Korenzecher Geschäftsführer von 18 verschiedenen Firmen, meist aus dem Immobilienbereich, ist. Innerhalb dieses Unternehmensgeflechts hat der Mann, der sein Alter nicht preisgibt, weitere 19 Geschäftsführerposten angegeben. Offenbar gründet der Herausgeber relativ viele Gesellschaften und liquidiert auch zahlreiche.

„Peinliche, selbstverleumde­rische Islamanbiederung“

Im Interview mit seiner eigenen Zeitung erzählt er ein wenig mehr. Demnach wurde er Anfang der 1950er Jahre als Sohn polnischer Juden in der niederschlesischen Stadt Waldenburg (Walbrzych) geboren. Noch vor dem Bau der Mauer siedelte die Familie nach West-Berlin über. Korenzecher war Funktionär zweier jüdischer Studentenorganisationen. Unter dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Heinz Galinski, gelangte er in die Jüdische Repräsentantenversammlung und war Delegierter beim Zentralrat der Juden in Deutschland. Er setzte sich seinerzeit – auch im SFB-Rundfunktrat (heute: RBB) – genauso stark für den ungebremsten Zuzug von Juden aus Osteuropa ein, wie er derzeit gegen die Einwanderung von Muslimen anschreibt.

Aus Protest gegen die Zustimmung der Jüdischen Gemeinde zum vom Berliner Senat durchgesetzten Zuzugsstopp für Juden aus der Sowjetunion legte er Ende der siebziger Jahre sein Mandat im Gemeindeparlament nieder. 

Heute nutzt er die Jüdische Rundschau neben dem Kampf für das Existenzrecht Israels vor allem dazu, um die Flüchtlingspolitik von Bundesregierung und parlamentarischer Opposition anzugreifen. In seinem aktuellen Vorwort rechnet Korenzecher mit der „kaum noch nachzuvollziehenden Selbstaufgabe-Politik des heutigen Merkel-, Steinmeier- und Maas-Deutschlands“ ab. Diese habe „dem rasanten islam-bedingten Abbau unserer freiheitlichen säkularen und demokratischen Gesellschaftsstrukturen in unserem Lande Tür und Tor geöffnet“.

Er kritisiert auch die Parteinahme für Hillary Clinton „durch unsere linksromantisierende, islam-affine Grenzöffnungs- und Bessermensch-Szene aus öffentlich-rechtlichen Medien und gegenwärtiger politischer Führung“. 

Deutliche Unterschiede zur „Jüdischen Allgemeinen“

Deutliche Worte. Korenzecher geißelt auch die „blinde Öffnung gegenüber islamischer Gewaltimmigration“. Diese sei „trotz vorsätzlichen Einzelfall-Kleinredens durch Politik und Presse“ mit „unserer demokratisch-freiheitlichen Lebenswelt nicht vereinbar“. Der Herausgeber nennt die „nahezu täglichen islam-basierten Gewalteruptionen, Vergewaltigungen, Messerattacken“ beim Namen. Und er dürfte vielen aus der Seele sprechen, wenn er formuliert, daß dies „die Bürger unseres Landes erkennbar verängstigt“.

Mit solchen Positionen erregt das Blatt im konservativen Teil der Facebook-Gemeinde immer mehr Aufsehen. Dabei hat es lediglich etwa 5.400 „Gefällt mir“-Angaben (Jüdische Allgemeine: 18.000, JUNGE FREIHEIT: 117.000). Da sich die Jüdische Rundschau nicht von der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e. V. (IVW) prüfen läßt, existieren keine Angaben über die Auflage. 

Diese dürfte aber deutlich unter der des offiziellen Blattes vom Zentralrat der Juden liegen, der Jüdischen Allgemeinen, die inklusive zahlreicher kostenloser Bordexemplare und sonstiger Verkäufe wöchentlich 6.231 Zeitungen vertreibt. In der Islamkritik unterscheiden sich die beiden Zeitungen rigoros. Das Zentralratsorgan gehört eher zu den Unterstützern der Flüchtlingspolitik, und drastisch-kritische Worte gegen den Islam sowie die Kriminalität von Zuwanderern sind dort nicht zu finden.

Die Jüdische Rundschau trägt denselben Namen wie das von 1902 bis zu ihrem Verbot 1938 erscheinende Organ der damaligen „Zionistischen Vereinigung in Deutschland“. Darüber hinaus gibt es allerdings keine Gemeinsamkeiten beziehungsweise Verbindungen. Die Jewish Berlin Online GmbH, die das Blatt verlegt, beschreibt ihr Produkt als „einzige unabhängige jüdische Zeitung in Deutschland“.

Darin publizieren nicht nur Juden. Und nicht alles dürfte deutschen Konservativen gefallen. Einer der Autoren ist Alex Feuerherdt, den die Jüdische Allgemeine als „Antideutschen“ bezeichnet. Er gehört zu den wenigen linken Israel-Unterstützern und greift in seinen Texten auch den Antisemitismus von Gewerkschaften und linken Organisationen auf. Und Gerd Buurmann, der den Blog „Tapfer im Nirgendwo“ betreibt, bezeichnet den Sänger Xavier Naidoo in einem polemischen Artikel für die Jüdische Rundschau als „Margot Käßmann der Reichsdeutschen“.

Doch dominiert wird die Linie des Blattes durch seinen Herausgeber, der auch die Grünen frontal angreift. Der Partei unterstellt er „Judenfeindlichkeit“, die besonders deutlich an ihrer Iran-Politik erkennbar sei: Dort billige die „Atomausstiegspartei widersinnigerweise die gegen Israels Existenzrecht gerichtete Verwertung der Atomkraft ausdrücklich“, während sie „hierzulande kaum einen Tag ohne massive Polemik und Proteste gegen die friedliche Atomkraftverwertung auskommt“.

Korenzecher ist gut vernetzt. Einst gründete er die der B‘nai B’rith-Organisation („Söhne des Bundes“) zugehörige Raoul-Wallenberg-Loge und wurde deren erster Präsident. Korenzecher ist auch Gründungsmitglied der „Deutsch-Israelischen Hilfe für krebskranke Kinder“. Vorsitzende ist seit den 1980er Jahren Verlegerin Friede Springer. Bis heute sitzt Korenzecher im Vorstand mit ihr an einem Tisch. Dabei attackiert er „die antijüdische und antiisraelische Stimmungsmache der Mainstream-Medien“. Zumindest zum „Mainstream“ gehören jedoch auch die Springer-Zeitungen.