© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/16 / 25. November 2016

Aus dem Leben eines Pornostars
Hardcore-Wahrheiten über die Sexindustrie
Martin Voigt

Was steht am Anfang eines Absturzes in die Prostitution und Pornographie? Viele würden sagen: sexueller Mißbrauch in der Kindheit. Auch der ehemalige Pornostar Shelley Lubben erzählt in ihrer Lebensgeschichte, wie sie als Neunjährige im Swimmingpool vom älteren Bruder ihrer Freundin sexuell drangsaliert wurde. Eine perverse Anekdote im Alltag sich selbst überlassener Kinder, aber keine Zäsur. 

Auf allen Seiten, die vom Anschaffen in Hollywoods Hinterhofbordellen, von Alkohol- und Drogensucht, von Genitalherpes und immer wieder von Penetration vor laufender Kamera erzählen, schreibt sich Lubben einen ungleich tieferen Schmerz von der Seele. Nie geliebt von ihrer Mutter, kaum beachtet von ihrem Vater sucht die kleine aufgedrehte Shelley jede erdenkliche Aufmerksamkeit. Sie schreibt Geschichten, Theaterstücke, kommt in die Pubertät, geht mit 14 in einem Playboy-Bunny-Kostüm auf die Schulparty, hat „viel zu früh Sex“. Als 17jährige hat sie ihren ersten Auftritt in einem Stripclub. Mit 18 wird sie von ihren Eltern auf die Straße gesetzt. Das ungeliebte Mädchen, süchtig nach oberflächlicher Aufmerksamkeit, wählt den Weg des schnellen Geldes und erstickt ihren Selbstekel in Jack Daniel’s und Kokain.

„Wut stieg auf, all die Jahre der Wut über meinen Vater und über all die Männer, die mich verletzt hatten – ich fiel über mein blondes Opfer her wie eine Bestie, heiß auf unschuldiges Blut.“ Die Innenperspektive des „großen Pornostars“ und ihr Blick hinter die Kulisse auf stinkendes Ejakulat, Einläufe für bevorstehende Analszenen und Erbrochenes auf der Gemeinschafts-toilette ergänzen das übertriebene Gestöhne und das Wackeln der künstlichen Doppel-D-Oberweite. 

Shelley Lubbens Buch ist mehr als Schreibtherapie; es ist ein Appell an alle Mädchen und Jungen, die nie erfahren haben, ein geliebter, wertvoller Mensch zu sein, ihrer persönlichen Tragödie ins Auge zu blicken. Doch wer sich durch Prostitution, in One-Night-Stands, am Porno-Set oder sexsüchtig klickend und onanierend hinterm Bildschirm immer wieder selbst entwürdigt, kann sich nicht alleine aus dem Sumpf ziehen. Shelley Lubben berichtet, wie ihr Jesus Christus geholfen hat. Diesen Beistand wünscht sie auch ihren Lesern.

Shelley Lubben: Pornographie. Die größte Illusion der Welt. Ruhland Verlag, Bad Soden 2016, broschiert, 330 Seiten, 14,80 Euro