© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/16 / 02. Dezember 2016

Aller guten Dinge sind drei
Präsidentschaftswahl Österreich: Am 4. Dezember startet ein neuer Versuch / Enges Rennen erwartet
Verena Inauen

Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen: eine nahezu unendliche Geschichte um das Präsidentenamt. Nur 0,6 Prozent der Stimmen trennten die beiden bei der letzten Stichwahl im Mai voneinander, bis das Ergebnis nach einer spektakulären Wahlanfechtung für ungültig erklärt wurde. Bei der Briefwahl sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen, befanden auch die Höchstrichter und ordneten eine Wahlwiederholung für den 2. Oktober an. Ausgerechnet die Briefwahlkarten und ihre unzureichenden Klebestreifen verhinderten die Abstimmung im Herbst. 

Der Wahlkampf verlagerte sich mehr ins Internet 

Zwei Kandidaten, wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten, kämpfen deshalb am 4. Dezember zum dritten Mal um das Amt des Bundespräsidenten in der Wiener Hofburg. Briefwahlkarten wird es auch diesmal geben. Aber es wird „wohl die bestkontrollierte und bestüberwachte Wahl der Geschichte werden“, glaubt der Generalsekretär und Wahlkampfleiter der oppositionellen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) Herbert Kickl.

Der eine Kandidat ist erst 45 Jahre alt, stets weltmännisch gekleidet und zurückhaltender als die Führungsspitze seiner Partei. Der andere hingegen ist schon 72 Jahre alt, starker Kettenraucher und wird nicht müde, seinen Migrationshintergrund zu betonen. Mit seiner estländischen Mutter und dem russischen Vater mit niederländischen Vorfahren wuchs er in der Nachkriegszeit in Tirol auf. 

Hofer steht klar zu seiner freiheitlichen Ausrichtung. Er fordert mehr Schutz für ungeborenes Leben, tritt für eine bürgernahe Politik ein und will den Asylmißbrauch stoppen. Dem neu gewählten Präsidenten der Vereinigten Staaten gratulierte er prompt und will als neutraler Vermittler zwischen Rußland und den Vereinigten Staaten fungieren.

 Van der Bellen als ehemaliger Parteichef der Grünen und Parteimitglied der SPÖ hingegen beginnt kaum ein Gespräch, ohne auf seine  „Unabhängigkeit“ hinzuweisen. Auf seiner Netzseite finden sich nur vage Formulierungen seiner Ziele. Eines davon ist aber der Ausbau „unseres gemeinsamen Europas“. Die große Sorge um einen Klimawandel folgt wenig später. Mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kann er aber genausowenig anfangen wie mit Donald Trump. Schlechte Voraussetzungen für weltoffene Gespräche Österreichs mit anderen Staaten, die Van der Bellen als oberste Priorität nennt. 

Gemeinsam ist den beiden Präsidentschaftskandidaten bei allen sonstigen Differenzen aber ein gelegentlicher Wandel der persönlichen Meinung. Während Van der Bellen noch vor wenigen Jahren für die Abschaffung der Wehrpflicht in Österreich stimmte, ging er bei dem Gelöbnis der neuen Soldaten am Nationalfeiertag auf dem Wiener Heldenplatz auf Stimmenfang und gratulierte den Rekruten. Trotz einer klaren Absage der Bevölkerung zu einem reinen Berufsheer hält der „unabhängig Kandidat“ weiter an den Reformplänen fest. 

Widersprochen hat sich aber auch schon sein Kontrahent Hofer, welcher sich noch vor Bekanntwerden seiner Kandidatur als „zu jung“ für das Präsidentenamt bezeichnete.

Geschadet habe der plötzliche Wandel Kommentaren in sozialen Netzwerken zufolge aber eher Alexander Van der Bellen als Hofer. Der ehemalige Universitätsprofessor habe mit dem „Glückwunsch an Zwangssoldaten seine linken Positionen verraten“, heißt es etwa unter einem Bild auf Facebook das, Van der Bellen und einen Soldaten zeigt, der am 26. Oktober feierlich vereidigt wurde. 

Der gesamte Wahlkampf hat sich dagegen über die Monate hinweg ins Internet, vor allem auf Facebook, verlagert. Die unvergleichbar hohe Reichweite der Seite des FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache mit 450.000 Nutzern kam auch Hofer zugute. Er erreichte binnen kürzester Zeit ebenfalls rund 300.000 Personen, die ihm folgen. 

Wahlforschungsinstitute zeigen sich verunsichert 

Der enorme Zuspruch zeige auch den Bedarf dieser Informationsquelle, „denn viele etablierte Medien haben sich zunehmend von Berichterstattern zu Kommentatoren, wenn nicht gar zu bewußten Meinungsmachern im schlechtesten Sinn gewandelt“, kritisiert der FPÖ-Generalsekretär Kickl. 

Mit 230.000 virtuellen Anhängern spricht zwar auch Van der Bellen sein Zielpublikum an, steht allerdings der Reichweite der FPÖ um einiges nach. Seine Beiträge werden oftmals nur von einigen Dutzend Nutzern geteilt, die von Strache in der Regel Tausende Male. Je näher der Wahlsonntag rückt, um so aggressiver wird der Kampf vor allem von Van der Bellens Anhängern geführt. „Jeder von uns ist ein Teil des Ganzen. Um so wichtiger ist ein respektvolles Miteinander, denn alle zusammen sind wir Österreich“, mahnt Hofer die Wähler beider Lager auf seiner Facebook-Seite.

Van der Bellen indes bezeichnete Österreich unter einem Präsidenten Norbert Hofer zuletzt, angelehnt an Tolkiens „Herr der Ringe“-Saga, als „Alpen-Mordor“ und unterstellte ihm ausgefeilte Rhetoriktricks in Fernsehduellen. Drei dieser TV-Konfrontationen sollte es vor der Wahl geben. Die ersten beiden entschied laut OGM-Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer und Zuschauerabstimmungen der freiheitliche Hofer durch überzeugende Antworten für sich.

Ausschlaggebend könnten für die Stimmabgabe am 4. Dezember allerdings sowohl Facebook als auch Fernsehduelle sein, wie Medienstrategen der FPÖ glauben. Nachdem Meinungsforschungsinstitute in den vergangenen Wahldurchgängen klar danebenlagen, wagen sich nur noch wenige Unternehmen an eine Prognose. Laut Gallup-Umfrage vom 17. November liegt derzeit aber Hofer mit vier Prozentpunkten vor Van der Bellen. 

Entscheidend könnten auch bei der kommenden Wahl wieder die Briefwahlstimmen der linken Wähler werden, welche bereits im Mai zu einer haarscharfen Wende beitrugen. Ein vorläufiges Ergebnis ohne Einberechnung der Briefwahlkarten wird zwar bereits am Wahlsonntag veröffentlicht, einen feststehenden Präsidenten gibt es allerdings erst nach der Auszählung am Montag. Und diese kann das als knapp prognostizierte Ergebnis schnell um einige Prozente zugunsten eines anderen Kandidaten ändern. Dieses Mal hat die FPÖ aber für Wahlbeisitzer – „und zwar für alle, nicht nur für die Freiheitlichen – Videos und eine Wahlfibel erstellt“, damit alle Vorschriften eingehalten werden.