© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/16 / 09. Dezember 2016

Starke Meinungen gegen die Verführung
Lebensthema Hitler: Stefan Austs Biographie über Konrad Heiden, einen deutschen Journalisten und frühen Warner vor dem deutschen Diktator
Ansgar Lange

Er war Journalist, und er hatte nur ein Thema: Adolf Hitler.“ Mit diesem Satz beginnt Stefan Austs Buch über den sozialdemokratischen Publizisten und frühen Hitler-Biographen Konrad Heiden. Joachim Fest bescheinigte Heiden, daß er die „erste bedeutende Hitler-Biographie“ verfaßt habe.

Es ist verdienstvoll, daß Aust den Lebensweg des 1901 in München geborenen und 1966 in New York verstorbenen Heiden nachzeichnet. Der Biographie kommt zugute, daß der Autor ebenfalls ein ausgewiesener Journalist ist und kein Fußnoten-Fetischist. Manchmal neigt Aust allerdings zu Abschweifungen und Längen. Vielleicht wollte er die etwas spärlich ausfallende Archiv- und Quellenlage über den privaten Lebensweg kompensieren. Heiden war der Autor verschiedener Schriften zum Nationalsozialismus wie „Geschichte des Nationalsozialismus. Die Karriere einer Idee“ (Berlin 1932), „Geburt des Dritten Reiches. Die Geschichte des Nationalsozialismus bis 1933“ (Zürich 1934) oder „Der Fuehrer. Hitler’s Rise to Power“ (Boston 1944). 

Konrad Heiden starb fast vergessen in den USA

Bisweilen zitiert Aust etwas zu ausführlich aus Heidens Werken, so wohl formuliert sie auch sind. Anders als Joachim Fest und andere hat Heiden Hitler als Zeitzeuge erlebt und früh erkannt, welche Gefahren von der rhetorischen Verführungskunst des „Führers“ und von der Brutalität seiner Bewegung drohten. Heiden hat Hitler niemals unterschätzt, sondern nüchtern berichtet, was war. Den Redner Hitler hat Heiden wie folgt beschrieben: „Er ist auf dem Höhepunkt seiner Rede ein von sich selbst Verführter, und mag er lautere Wahrheit oder die dickste Lüge sagen, so ist jedenfalls das, was er gerade sagt, in dem betreffenden Augenblick so vollständig der Ausdruck seines Wesens, seiner Stimmung und seiner Überzeugung von der tiefen Notwendigkeit seines ganzen Tuns, daß selbst von der Lüge noch ein Fluidum von Echtheit auf den Besucher überströmt.“

Wer sich also insbesondere für die Anfänge der NS-Bewegung interessiert, kommt an Heiden nicht vorbei, der seit Beginn der zwanziger Jahre als Journalist die politische Szene Münchens beobachtete und kommentierte. 

Er schrieb für die renommierte Frankfurter Zeitung und veröffentlichte sein Buch „Geschichte des Nationalsozialismus“ im Rowohlt-Verlag, wo auch Austs Werk nun erschienen ist. Aust schildert Heidens Sozialisation in einem sozialdemokratischen Elternhaus, den frühen Verlust der Eltern, die auch finanziellen Schwierigkeiten eines begabten und meinungsstarken Publizisten in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren und auch die Zeit im Exil. 1966 verstarb Heiden  elendig an der Parkinsonschen Krankheit, nachdem er mehrere Jahre um finanzielle Entschädigung für seine im „Dritten Reich“ erlittenen gesundheitlichen Probleme gestritten hatte. In den letzten Jahren war er zu einem Pflegefall geworden und zu keiner schriftstellerischen Arbeit mehr in der Lage. Er starb als amerikanischer Staatsbürger. Die New York Times würdigte ihn in einem ausführlichen Nachruf. In der alten Heimat Deutschland gab es außer ein paar spärlichen Notizen keinen großen Nachruf auf den frühen Gegner Adolf Hitlers.

Stefan Aust: Hitlers erster Feind. Der Kampf des Konrad Heiden. Rowohlt Verlag, Reinbek 2016, gebunden, 384 Seiten, Abbildungen, 22,95 Euro