© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/16 / 09. Dezember 2016

Frisch gepresst

Mehr Strenge. Ein hehres Ziel hat der altgediente Lehrer und Schulmediator Axel Becker seinem Buch vorangestellt: „Kinder und Jugendliche haben das Recht, Grenzen auszutesten, Erwachsene die Pflicht, ihnen Grenzen zu setzen.“ Doch was tun, wenn der „Erziehungsauftrag“ komplett am Lehrer hängenbleibt? Tyrannen aus prekären Migrantenmilieus, salafistisch geprägte kleine Prinzen oder Daddys Lieblinge aus gut situierten Familien, die notorisch den Unterricht stören, um die Aufmerksamkeit einzusammeln, die sie zu Hause nicht bekommen. Angesichts dieser Melange aus Multikulti, Frust und Provokation, die Lehrern entgegenschlägt, entwickeln viele die Devise: Augen zu und durch! 45 Minuten Unterricht gehen dann hoffentlich doch schnell vorbei, bevor man in die nächste Klasse muß. Nein, sagt Becker, wer seine Verantwortung als Pädagoge ernst nehme, dürfe den Nachwuchs-Bushidos von Beginn an nichts durchgehen lassen. Es komme darauf an, „altersgemäße Handlungsstrategien zu entwickeln, die so ins Verhaltensrepertoire aufgenommen werden können, daß sie eine verläßliche, möglichst langfristige Kompensation für eine Impulskontrolle ermöglichen“, so Becker. Fragt sich nur, wie viele Pädagogen pro Klasse man da braucht. (mv)

Axel Becker: Die Toleranzfalle. Was grenzenlose Liberalität uns und unseren Kindern antut. Beltz Verlag, Bad Langensalza 2016, gebunden, 280 Seiten, 19,95 Euro





Viktor Orbán. Der 1929 in Budapest geborene Paul Lendvai, lange Zeit Journalist für den ORF oder den Standard, kommentiert als bekennender Linker seit Jahrzehnten die Verhältnisse seiner ursprünglichen Heimat. Obwohl er bekennt, daß die sozial-liberale Regierung in Ungarn vor 2010 „im Sumpf der Korruption versunken“ sei und sich „durch politische und wirtschaftliche Inkompetenz diskreditiert“ habe, stellt der Richtungswechsel unter Viktor Orbáns Fidesz für ihn einen Alptraum dar, an dem sich Lendvai seitdem publizistisch abarbeitet. So erwartet einen also in seiner Biographie des „politischen Talents“, als das er Orbán immerhin bezeichnet, wenig Überraschendes. Diese beharrliche Färbung außer acht lassend, erwartet den Leser dennoch eine auf Kennerschaft fußende Analyse der magyarischen politischen Landschaft, die die dortige gesellschaftliche Spaltung pointiert veranschaulicht. (bä)

Paul Lendvai: Orbáns Ungarn.  Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 2016, gebunden, 239 Seiten, 24 Euro