© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/16 / 09. Dezember 2016

Umwelt
Weingüter fürs Auge
Volker Kempf

Rebsaft und Natur stehen in einer Sonderbeziehung: „Nichts macht mit der Landschaft vertrauter als der Genuß der Weine, die auf ihrer Erde gewachsen und von ihrer Sonne durchleuchtet sind“, schrieb einmal Ernst Jünger. Diese Einheit von Wein und Landschaft greift die Architektur für Weingüter immer öfter auf. Dafür gibt es inzwischen einen „Architekturpreis Wein“, welcher vorige Woche auf der Stuttgarter Weinmesse „Intervitis Interfraucta Hortitechnica“ vergeben wurde. Gewinner ist das Weingut Franz Keller in Vogtsburg-Oberbergen. Die Besonderheit des Gebäudes liegt darin, daß es im Kaiserstuhl ein aus drei Trassen bestehender Ausläufer eines großen Weinberges zu sein scheint. Vom Berg aus gesehen würde das grasbedachte Gebäude als ein solches kaum auffallen. Von der Straße aus betrachtet werden die beiden Trassenabsätze des Komplexes als Glas- und Holzfassaden sichtbar.

Hügellandschaften nicht als bloßen Unterbau für Windstromerzeugungsrotoren mißbrauchen.

Diese Symbiose aus Gebäude und Landschaft ist eine Augenweide und bietet Touristen zusätzliche Anreize für einen Besuch der Weinkulturlandschaft und lädt zu einer Weinprobe ein. Das Landschaftsbild wird als touristisches Argument gesehen und architektonisch aufgewertet. Dieser Trend ist seit einiger Zeit schon beim Bau von Weingütern zu beobachten, wenn etwa Fassaden – statt aus grauem Beton – aus rostendem und nach einer gewissen Zeit erdbraunfarbenem Stahl errichtet werden. Dahinter steckt eine Philosophie, die zum Kultur- und Naturprodukt Wein paßt und harmonisch sein will. Es ist dies eine Philosophie, die Kunst und Dichtung einschließt und Wein zu einem umfassenden Kulturgut werden läßt. Das hebt sich wohltuend von jenem Trend ab, der eine Hügellandschaft zu einem bloßen Unterbau für Windstromerzeugungsrotoren machen will. Im Wein liegt Wahrheit.