© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/16 / 16. Dezember 2016

1848 und die „Abgehängten“ der Frühindustrialisierung: Revolution in der Provinz
Mit leeren Drohungen ins Abseits
(sg)

Die europäischen Revolutionen von 1848 waren nicht nur politisch, sondern auch ökonomisch und sozial motiviert. Setzten sich doch die „Abgehängten“ der Frühindustrialisierung gegen Ausbeutung und Rechtlosigkeit zur Wehr. Wie dieser Klassenkampf jenseits der Städte und Industriebezirke auch die tiefste Provinz erfaßte, schildert Hansjörg Zimmermann in einer erstmals auf Archivquellen gestützten Lokalstudie über „Sozioökonomische Lage und politische Revolte“ im Herzogtum Lauenburg zwischen 1845 und 1852 (Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, 141-2016). Die Hälfte der Bevölkerung, die hilfsbedürftigen „geringen Leute“ des rein agrarisch geprägten, zum dänischen Gesamtstaat gehörenden Gebiets sah sich seit 1845 mehrfach durch Hungersnot bedroht, ausgelöst von der Kartoffelkrankheit. Verschärft durch die Unfähigkeit der Verwaltung, eskalierte die Notlage im Frühjahr 1848. Da sie mit Gewaltanwendung aber nur drohten und nicht einmal einen Streik zu organisieren vermochten, gelang es den Armen nicht, ihre Forderungen nach wirtschaftlicher Besserstellung und demokratischer Teilhabe gegen den vereinten Widerstand von Staatsmacht, Gutsbesitzern und Bürgern durchzusetzen. Bis 1918 blieben die „kleinen Leute“ daher von politischer Partizipation ausgeschlossen. 


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