© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/16 / 16. Dezember 2016

Eine italienische Heldengeschichte
Vor 75 Jahren gelang sechs Kampfschwimmern der Königlich Italienischen Marine mit der Versenkung von zwei britischen Schlachtschiffen ein Husarenstück
Wolfgang Kaufmann

Während die Königlich Italienische Marine mit ihren sechs Schlachtschiffen, 19 Kreuzern, 59 Zerstörern und über 100 U-Booten kaum nennenswerte Erfolge gegen die britische Royal Navy erzielte, gelang sechs Kampfschwimmern der Decima Flottiglia MAS in der Nacht vom 18. zum 19. Dezember 1941 ein Husarenstück ohnegleichen: Mittels von Hand plazierter Sprengladungen setzten sie die beiden feindlichen Schlachtschiffe „Valiant“ und „Queen Elizabeth“ an ihren Liegeplätzen im Hafen von Alexandria auf Grund. Dadurch verfügten die Briten plötzlich über kein einsatzbereites Schlachtschiff mehr im Mittelmeer, da das deutsche U 331 kurz zuvor auch die „Barham“, also die dritte schwere Einheit der Mediterranean Fleet, versenkt hatte.

Das gewagte Unternehmen der italienischen Spezialkräfte begann am 3. Dezember 1941, als das U-Boot „Scirè“ unter dem Kommando von Korvettenkapitän Fürst Junio Valerio Borghese aus seinem Stützpunkt in La Spezia auslief – mit an Bord drei Torpedos vom Typ „Maiale“ (Schwein), die eine abnehmbare Haftmine von 250 Kilogramm Gewicht tragen und durch jeweils zwei Taucher an das Ziel heranlaviert werden konnten. Die „Torpedoreiter“ für den Einsatz in Alexandria gingen am 9. Dezember in Portolago auf Leros an Bord. Es handelte sich um die Kapitänleutnants Luigi Durand de la Penne, Antonio Marceglia und Vincenzo Martellotta, die Stabsbootsmänner Emilio Bianchi und Mario Marino sowie den Stabsgefreiten Spartaco Schergat.

Neun Tage später setzte die „Scirè“ alle drei Teams mitsamt ihrer Torpedos rund 1,5 Seemeilen vor Alexandria aus – doch zunächst vermochten die Froschmänner nicht in das Hafenbecken einzudringen, da es mit einer Sperre gesichert war. Diese öffnete sich dann jedoch gegen Mitternacht für die aus Malta zurückkehrende 15. Kreuzer-Gruppe von Konteradmiral Philip Vian. Damit war der Weg frei. Anschließend brachten de la Penne und Bianchi ihre Ladung unter der „Valiant“ an, wobei sie beim Wegschwimmen gefaßt und auf dem Schiff arretiert wurden. Hingegen konnten Marceglia und Schergat unbemerkt das Ufer erreichen, nachdem sie ihren Sprengsatz am Kiel der „Queen Elizabeth“ befestigt hatten. Das gleiche galt für Martellotta und Marino, deren Mine nun an dem mit 12.000 Tonnen Öl beladenen norwegischen Tanker „Sagona“ hing. Allerdings verhaftete die Militärpolizei die vier Italiener später noch im Hafengelände beziehungsweise auf dem Weg nach Kairo. Kurz darauf explodierten die Sprengköpfe in kurzen Abständen zwischen 5.54 und 6.04 Uhr, während de la Penne und Bianchi immer noch in ihrer Haftzelle tief unten im Schiffsinneren der „Valiant“ festsaßen – trotzdem überlebten die beiden.

Nur eiserne Funkdisziplin ermöglichte Handstreich

Der stupende Erfolg der Aktion resultierte ganz wesentlich aus dem Umstand, daß Borghese es mit eiserner Konsequenz ablehnte, Funksprüche abzusetzen, wenn er in See war, weswegen die Briten hier keinerlei Nutzen aus ihren Entschlüsselungskünsten ziehen konnten und völlig ahnungslos waren, was das bevorstehende Kommandounternehmen betraf.

Da die zwei Schlachtschiffe im flachen Wasser auf ebenem Kiel sanken und deshalb auf Luftbildern unbeschädigt wirkten, versuchte die britische Admiralität den Erfolg der Italiener geheimzuhalten – doch die Berichte hierüber machten zu schnell die Runde. 

Am 23. April 1942 mußte Churchill schließlich vor dem Unterhaus Farbe bekennen, wobei er beruhigend hinzufügte, daß zum Ausgleich Flugzeugträger ins Mittelmeer entsandt worden seien. Und die konnten den Wegfall der Schlachtschiffe tatsächlich weitestgehend kompensieren. Deshalb vermochte die Regia Marina keine größeren strategischen Vorteile aus der Aktion zu ziehen, was sich auch negativ auf die Nachschubtransporte für Rommels Afrika-Korps auswirkte. Außerdem wies Churchill an, eine ganz ähnliche Attacke gegen das deutsche Schlachtschiff „Tirpitz“ durchzuführen, das in Norwegen lag. Diese „Operation Title“ mit zwei bemannten „Chariot“-Torpedos scheiterte dann aber am 1. November 1942.