© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/16-01/17 23. Dezember / 30. Dezember 2016

Umwelt
Besinnung lohnt sich
Volker Kempf

Zehrt immerwährendes Wirtschaftswachstum die Lebensgrundlagen auf? Fischbestände schrumpfen, fruchtbares Land weicht der Bauwirtschaft, Regenwälder werden gerodet, das Weltklima wird laut vorherrschender Theorie aufgeheizt. Metaphysisch sind da Sozialismus und Marktwirtschaft wesensverwandt. Beide sind nach Martin Heidegger dem einseitig rechnenden Denken verfallen, nur daß die Marktwirtschaftler besser rechnen. Letzteres gilt es anzuerkennen. Aber das Grundproblem, daß Wachstum natürliche Ressourcen unwiederbringlich verbraucht, bleibt bestehen. Postwachstumsgesellschaften werden gesucht. Theoretisch kann eine solche Gesellschaft nur dann weniger natürliche Ressourcen verbrauchen, wenn ihre Wirtschaft nicht mehr wächst als Effizienz durch technischen Fortschritt. Ein halbes Prozent Wirtschaftswachstum müßte das sein, damit die Finanzmärke überleben. Die derzeitige Nullzinspolitik der EZB liegt da ganz gut auf der Zielgeraden, ihr wird aber keine lange Lebensdauer vorhergesagt.

Qualitatives Wachstum heißt weniger Fleisch, weniger Flüge und wenig PS unter der Haube.

Sicher ist, daß Schwellenländer wie China und Indien weiter wachsen und große Volkswirtschaften sind. Allein deshalb schon wird aus dem Postwachstum global nichts werden. Was in den Postwachstumsdebatten stattfindet, das ist ein Rückzug auf ein qualitatives Wachstum, das heißt weniger Fleisch, weniger Flugreisen, weniger PS unter der Motorhaube und was einen nachhaltigen Lebensstil noch so ausmacht. Das gab es schon in den 1980er Jahren und löste auch damals nicht die Weltprobleme. Die Wachstumsdiskussion dreht sich im Kreis, sie paßt aber auch wiederkehrend zu Weihnachten: mehr Besinnung und weniger Konsum. Das bedeutet mehr für die Kultur und weniger für die Wirtschaft. Mit Martin Heidegger gedacht: Das besinnliche Denken durchkreuzt das rechnende und macht das Leben reicher. Das ist vielleicht gar nicht so wenig.