© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/17 / 06. Januar 2017

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Einer muß halt ran
Michael Paulwitz

So recht will es der SPD nicht gelingen, dem langen Marsch zur Nominierung ihres Kanzlerkandidaten ein wenig Spannung einzuhauchen. Jenseits der Korridore des Reichstags will sich kaum jemand dafür interessieren, wen die in den Umfragen längst zur Mittelpartei geschrumpften Sozialdemokraten als Herausforderer der scheinbaren Dauerkanzlerin Angela Merkel benennen wollen. 

Man habe einen Zeitplan, und von dem werde man sich nicht abbringen lassen, hatte Parteichef Sigmar Gabriel trotzig verkündet. Ende Januar werde feststehen, wer die SPD in den Bundestagswahlkampf 2017 führt. Vielleicht auch etwas früher. Medienberichten zufolge soll ein klärendes Treffen der SPD-Führung am 10. Januar in Düsseldorf stattfinden. Mit dabei, neben der um ihre Wiederwahl kämpfenden NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und dem ebenfalls schon als aussichtsreicher Kandidat gehandelten Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz: Sigmar Gabriel, der als Parteichef den „ersten Zugriff“ hat. Und der baldige Ex-Präsident des EU-Parlaments Martin Schulz, der in Teilen der Partei wochenlang als Wahlkampfmaschine und alternativer Hoffnungsträger gepriesen wurde. 

Sollte das Düsseldorfer Treffen, das die SPD vorerst weder bestätigen noch dementieren will, tatsächlich zu einem Ergebnis kommen, wird es nach den Gesetzen der Gremien-Geschwätzigkeit auch umgehend durchsickern. Große Überraschungen sind freilich kaum zu erwarten. Martin Schulz hat noch vor Weihnachten öffentlich durchblicken lassen, er rechne nicht damit, Kanzlerkandidat zu werden. In einem Mitgliederentscheid hätte er Parteikreisen zufolge gute Chancen gehabt. Sigmar Gabriel wiederum kann nicht noch einmal kneifen und einen anderen Parteigranden vorschicken, ohne sich selbst als Parteivorsitzender zu dementieren. 

Das Nominierungschaos von 2012, als Frank-Walter Steinmeier kurzfristig zurückzog und Peer Steinbrück Hals über Kopf in die absehbare Niederlage gegen Merkel gesandt wurde, hatte seinen Ruf erheblich ramponiert. Als Vizekanzler hat Gabriel gleichwohl die Ambition erkennen lassen, Kanzlerprofil zu entwickeln, und zuletzt die von der Asylkrise gebeutelte Amtsinhaberin für „schlagbar“ erklärt. Vor den Feiertagen hat er sich wegen seiner Diabetes-Erkrankung den Magen operativ verkleinern lassen, aber sicherlich nicht sein Ego.

Das Selbstbewußtsein ist aber auch bei Martin Schulz alles andere als unterentwickelt. Seine bundespolitischen Ambitionen sind unübersehbar, auch wenn sich seine Regierungserfahrung auf die Jahre als Bürgermeister von Würselen beschränkt, an deren finanziellen Altlasten die Gemeinde bis heute kaut. Handstreichartig wurde er an der Parteibasis vorbei auf Platz 1 der mächtigen NRW-Landesliste gesetzt. Als Außenminister-Nachfolger des designierten Bundespräsidenten Steinmeier ist er ebenfalls im Rennen. Daß er Gabriel nicht offen herausfordert, liegt wohl nicht nur an seiner vielbeschworenen „Freundschaft“ zu dem SPD-Schwergewicht. Gut möglich, daß Schulz schon an die Zeit nach Gabriel denkt und deshalb die Füße stillhält.