© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/17 / 06. Januar 2017

Ohne Verbot schon tot
NPD: Das Bundesverfassungsgericht entscheidet erst in zwei Wochen / Doch niemand scheint mehr damit zu rechnen, daß Karlsruhe die Partei verbieten wird
Christian Vollradt

Optimismus hört sich anders an. „Es kann sehr gut sein, daß wir das verlieren werden“, zitiert die Berliner Zeitung eine namentlich nicht genannte Quelle aus dem Umfeld der Bundesländer mit Blick auf das NPD-Verbotsverfahren. Das soll am 17. Januar vom Bundesverfassungsgericht entschieden werden. Zwar sei nicht zu bestreiten, daß die Partei „ideologisch eindeutig verfassungswidrig“ sei, so die Einschätzung des Informanten. Doch die Richter würden vermutlich zu der Einschätzung gelangen, die NPD sei für ein Verbot mittlerweile zu unbedeutend. Schon zuvor hatte die Bild-Zeitung berichtet, daß auch die Bundesregierung nicht mehr mit einem Verbot der Rechtsaußen-Partei rechne. Laut einer internen Analyse sei man zu der Einschätzung gekommen, daß die NPD angesichts  ausbleibender Wahlerfolge „nicht die Schwelle zur Gefährdung überschritten“ habe.    

Innenminister rechnet mit „salomonischem Urteil“

Laut Bundesregierung werde Karlsruhe bei seiner Urteilsbegründung auch auf die bisherige Rechtsprechung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Rücksicht nehmen, heißt es in dem Bericht weiter. Und die Maßstäbe der Straßburger Richter sind streng. Danach reicht es nicht aus, daß eine Partei verfassungsfeindliche Ziele hat und diese verwirklichen will. Die Verfassungsrichter müßten zudem feststellen und begründen, daß (und warum) die NPD nicht geduldet werden könne. Woher die von der Bild zitierte Analyse allerdings stammt, ist unklar. Das Innenministerium hatte auf Pressenachfragen geantwortet, ein entsprechendes Papier sei dort nicht bekannt. Das Justizministerium wollte dies nicht kommentieren.

Während der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe im März vergangenen Jahres hatte vor allem der Berichterstatter des Zweiten Senats, der frühere saarländische Ministerpräsident Peter Müller, den Vertretern der Länderkammer die Berichte des Verfassungsschutzes zum desolaten Zustand mehrerer Landesverbände der NPD vorgehalten. Dementsprechend sei zweifelhaft, daß von der Partei eine substantielle Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik ausgehe. Und nur eine solche Gefahr könnte ein Parteiverbot rechtfertigen.

Politisch hat die NPD schon lange keine Erfolge mehr vorzuweisen. Im September 2016 flog sie aus dem Landtag von Mecklenburg-Vorpommern und verlor damit ihre letzte Fraktion. Seit 2012 blieb die Partei außerdem in neun Bundesländern bei Wahlen unter einem Prozent – und verpaßte so die staatlichen Zuschüsse zur Finanzierung von Wahlkampfkosten. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU), ein erklärter Befürworter des NPD-Verbots, hatte bereits im vergangenen Jahr gegenüber dem Tagesspiegel davon gesprochen, er befürchte ein „salomonisches Urteil“ in Karlsruhe.

Im Jahr 2003 hatte das Bundesverfassungsgericht ein erstes NPD-Verbotsverfahren wegen der unklaren Rolle von V-Leuten des Verfassungsschutzes in der Führung der Partei eingestellt.