© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/17 / 06. Januar 2017

Einmal privat, immer privat
Krankenversicherung: Trotz steigender Beiträge ist eine Rückkehr zu den gesetzlichen Kassen nur in Ausnahmefällen möglich
Christian Schreiber

Viele der neun Millionen Mitglieder der Privaten Krankenversicherungen (PKV) müssen in diesem Jahr höhere Beitrage bezahlen (JF 46/16). „Grundsätzlich kann es 2017 durch das einmalige Zusammentreffen verschiedener Faktoren zu einer ungewöhnlichen Beitragserhöhung in vielen PKV-Tarifen kommen“, erklärt Volker Leienbach vom PKV-Verband. Die Gründe seien steigende Gesundheitskosten und niedrige Zinsen.

Der große Kostenanstieg kommt erst noch

Die FAZ hat die einzelnen Erhöhungen recherchiert und festgestellt, daß „Zusatzkosten in Höhe von 50 Euro im Monat und mehr nicht ungewöhnlich“ seien. Die von Beitragserhöhungen Betroffenen machten zwei Drittel der PKV-Versicherten in Deutschland aus. „Es wenden sich zahlreiche Menschen an uns, die die Sorge haben, daß sie ihre Beiträge im Alter nicht mehr bezahlen können“, teilte auch die Stiftung Warentest vor Weihnachten mit. Bei einem 67jährigen könne der Monatsbeitrag jetzt deutlich über tausend Euro liegen.

Damit frißt die Krankenversicherung bei vielen die Rente auf. Daher müssen bei Aufnahme in die PKV die finanziellen Voraussetzungen stimmen – und sie sollten absehbar auch so bleiben. Selbständigen und Beamten fällt der Wechsel in die PKV leichter, während die meisten Arbeiter und Angestellten in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) pflichtversichert sind. Bei ihnen ist der Eintritt in die PKV nur Gutverdienern vorbehalten. Und selbst diese müssen sich den Wechsel von der GKV in die PKV gut überlegen. Wer nicht mehr pflichtversichert ist, kann freiwillig bei seiner GKV-Kasse bleiben. Zudem wird die Versicherungspflichtgrenze jährlich angepaßt. Die Berechnung orientiert sich am Durchschnittsbruttolohn eines Jahres. Seit 2011 ist die Versicherungspflichtgrenze jährlich gestiegen. In diesem Jahr sind es 57.600 Euro brutto.

Wer einmal Mitglied in der PKV ist, hat es schwer, diese wieder zu verlassen. Der Gesetzgeber will so vermeiden, daß Versicherungsnehmer in jungen Jahren von den niedrigen PKV-Beitragssätzen profitieren und später auf eine preiswertere GKV ausweichen. Eine Rückkehr ist nur dann möglich, wenn das Bruttoeinkommen unter die Bemessungsgrenze fällt. Ab einem erreichten Alter von 55 Jahren ist ein Wechsel kaum noch möglich. Wer weiter privatversichert bleiben will oder muß, kann lediglich versuchen, den PKV-Beitrag zu senken. So besteht die Möglichkeit, den Selbstbehalt zu erhöhen oder in einen neuen Tarif zu wechseln, der ähnliche Leistungen günstiger anbietet. Als letzter Schritt bleibt vielen nur noch der Wechsel in den Basistarif. Der darf maximal so teuer sein wie der GKV-Höchstbeitrag.

Politiker wie der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach halten die PKV daher schon längst für ein Auslaufmodell: „Die Zahlen der Neumitglieder bei der privaten Krankenversicherung brechen derzeit dramatisch ein. Viele Menschen in der mittleren Altersgruppe glauben nicht mehr, daß sie die hohen Prämien im Alter noch bezahlen können.“ SPD, Linkspartei und Grüne plädieren daher mit unterschiedlichen Ansätzen für die Einführung einer sogenannten Bürgerversicherung. Diese würde das bisherige zweigeteilte System aus GKV und PKV ablösen.

Dabei würden alle, also auch gutverdienende Angestellte, Selbständige, Abgeordnete und Beamte einzahlen. Erfaßt würden dabei nicht nur Löhne und Gehälter, sondern auch Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, Kapitalerträge, Miet- und sonstige Einkünfte. Daher wird dieses Konzept von der Union und der FDP abgelehnt. Auch die Kliniken und niedergelassenen Ärzte sind gegen einen Systemwechsel: PKV-Patienten bringen oft das Zwei- bis Dreifache an Honorar ein. Sie finanzieren damit indirekt auch Infrastruktur für die GKV mit.

PKV-Sprecher Leienbach hält naturgemäß das bisherige zweigliedrige System und den daraus resultierenden Wettbewerb für sinnvoll. Zudem sei es nicht immer billiger, Mitglied in der GKV zu sein. Wie das Wissenschaftliche Institut der PKV (WIP) berechnet hat, stiegen die einkommensabhängigen GKV-Beiträge seit 2007 um rund 37 Prozent. In der individuell rechnenden PKV lag die Steigerung mit 35 Prozent leicht darunter.

Und die GKV muß übrigens auch die Beiträge von Sozialhilfeempfängern oder Asylbewerbern mitfinanzieren, da der vom Bund festgelegte Pauschalbeitrag nicht kostendeckend ist. Lauterbach stellt die Bürger daher schon auf harte Zeiten ein: „Der große Kostenanstieg rollt erst an“, warnt der SPD-Gesundheitsexperte. Das Gesundheitssystem stehe vor wesentlich stärkeren Reformen als das Rentensystem.

„Entwicklung der Beitragseinnahmen in PKV und GKV“, WIP-Kurzanalyse 2/16: www.wip-pkv.de/