© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/17 / 06. Januar 2017

Knapp daneben
Startkapital für den interreligiösen Dialog
Karl Heinzen

Mit einer Fake-Meldung hat der Westdeutsche Rundfunk das politische Klima weiter vergiftet. Das Bundesministerium des Innern, so die vermeintliche Nachricht, überlege, was mit den 22.000 Exemplaren einer Koran-Übersetzung geschehen solle, die anläßlich des Verbots der salafistischen Vereinigung „Die wahre Religion“ im November beschlagnahmt wurden. Sie zu verbrennen oder ins Altpapier zu geben, käme nicht in Frage, da dies die religiösen Gefühle von Muslimen verletzen könnte. In der Tat sind die Gewaltexzesse, die eine unsachgemäße Behandlung auch nur einzelner Exemplare durch amerikanische Soldaten im Irak und in Afghanistan provozierte, ein warnendes Beispiel. Als eine mit den Regeln des Islam konforme Lösung würden die Behörden daher erwägen, die Druckwerke in Tücher einzuwickeln und dann in einer Wüste zu vergraben. 

Bis zum Abschluß des Verfahrens kann daher niemand einfach so über die Bücher verfügen.

Das Innenministerium hat diese groteske Behauptung natürlich dementiert und darauf hingewiesen, daß das Verbot von „Die wahre Religion“ derzeit juristisch angefochten wird. Bis zum Abschluß des Verfahrens kann daher niemand einfach so über die Bücher verfügen. Sollten die Richter das Verbot bestätigen, wäre aber in der Tat ihr Verbleib zu regeln. Die Option, sie im fernen Orient zu verbuddeln, dürfte nicht nur recht kostspielig sein. Zwischen Rechtsstaat und Scharia schwankende Muslime könnten dies auch als Absage an eine offene Gesellschaft mißverstehen. Die 22.000 Prachtbände sollten daher lieber als Kapital begriffen werden, um von Staats wegen den interreligiösen Dialog zu führen. Die Polizei könnte sie zum Beispiel auf ihren mobilen Beratungsstellen an interessierte Bürger verteilen, darf sie doch darauf vertrauen, daß die Lektüre des Koran eine bessere Prophylaxe gegen Salafismus ist, als ihn den Menschen vorzuenthalten. Sollte die Polizei nicht über genügend personelle Kapazitäten verfügen, ließe sich vielleicht auch ein Arrangement mit der Frankfurter Buchmesse treffen. Wenn sie den Islamischen Staat als Gastland auswählt, läge das Gros der Ausstellungsstücke, die er präsentieren könnte, schon bereit.