© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/17 / 06. Januar 2017

Der Flaneur
Surf ‘n’ Turf und die Hausfrau
Bernd Rademacher

Meine Frau und ich sind beide voll berufstätig. Darum essen wir abends warm, um einmal am Tag gemeinsam zu speisen. Unsere Arbeitsteilung: Sie backt am Wochenende, ich koche wochentags, weil ich früher Feierabend habe. Ich: Soll ich heute abend mal Grünkohl machen? Sie: Ja, gerne. Ja dann tschüß, Schatz, bis heut’ abend.

Weil ich für unser geplantes Weihnachtsmenü Platz im Gefrierfach brauche, räume ich das Tiefkühlfach auf und finde einen eingefrorenen kanadischen Hummer, den ich vor Wochen aus einer Laune günstig im Großmarkt gekauft habe. Das Verfallsdatum ist fast abgelaufen. Also kommt das leckere Krustentier heute auf den Tisch, beschließe ich.

Da fällt mir ein, daß ich neulich in einer Zeitschrift über das Gericht „Surf ‘n’ Turf“ gelesen habe: Hummer mit Steak. Plötzlich bin ich elektrisiert und nicht mehr zu halten: Schnell beim Metzger zwei feinfaserige Hüftsteaks besorgt und los geht’s!

Von meinem Ergebnis begeistert, fühle ich mich wie ein Sterne­koch. Schon klingelt es.

Auf einem dekorativen Salatblatt ein Gemüsebett aus in Butter gedünsteter Karotten-Julienne mit fein gehacktem Fenchel-Grün, darauf ein Dip aus kleingehackten Bruscetta und darauf das ausgelöste Hummerfleisch. Das Steak (medium) auf Avocado-Püree mit ein paar Spritzern Limettensaft, dazu im Backofen goldbraun gebackene Kartoffelschlitze und Feldsalat mit Walnußöl und Balsamico. Das ist „food porn“ pur und würde im Restaurant sicher um 30 Euro pro Portion kosten.

Dazu gibt es einen intensiven Rheingau-Riesling aus dem berühmten Kloster Eberbach, der gleichermaßen zu Steak und Hummer paßt. Ich bin von meinem Ergebnis begeistert und fühle mich wie ein Sternekoch! Es klingelt. Ah, da ist sie. „Essen ist fertig!“

Der enthusiastische Kommentar meiner Frau: „Ich dachte, heut’ gibt’s Grünkohl?“ Hmpf, da freut sich die Hausfrau …