© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/17 / 13. Januar 2017

Andreas Thiel Der Kabarettist hat seit Äußerungen zum Islam nichts mehr zu lachen
Schluß mit lustig
Thor Kunkel

Der Fall des Schweizer Kabarettisten Andreas Thiel – vom Publikumsliebling zur Persona non grata – beschäftigt seit geraumer Zeit die eidgenössischen Medien. Einige islamkritische Äußerungen hatten genügt, den erfolgsverwöhnten Spaßvogel mit einem Bann zu belegen. 

Spärlich besuchte Vorstellungen und ein drastischer Rückgang an Buchungen führen seitdem zur Klage Thiels über eine „Verschwörung des linken Kultur­establishments“. Damit nimmt er vor allem die linke Theaterszene ins Visier, deren Vertreter sich durch Thiels „Sakrileg“ (über seine Ausgrenzung zu sprechen) bestätigt sehen: Einem Verräter bietet man keine Bühne.

Thiels Wandlung zum Paria erinnert an die mediale Hinrichtung Akif Pirinçci, wobei der mit einem Donnerschlag verschwand. Thiels Abgang dagegen geschieht wie die Ausblendung eines Musikstücks am Mischpult.

Was war passiert? Nach einer 2014 von Roger Schawinski initiierten Rufmord-Kampagne nahmen die Dinge ihren Lauf. Der „Schawi“ (eine Art helvetischer Michel Friedman) hatte seinen Gast im Fernsehsender SRF 1 als „üblen Rassisten“ und „Haßprediger“ beschimpft, der „Muslime als Untermenschen bezeichnet“, und lieferte auch den gedruckten Beweis. 

Thiel konnte sich zunächst an seine 2012 in der Berner Zeitung veröffentlichte Bemerkung nicht erinnern: „Muslime sind, böse gesagt, irgendwo im Übergang zwischen Neandertaler und Homo sapiens steckengeblieben.“ Hatte er das wirklich so formuliert? Schawinski schaffte es nicht, einen sauberen Kontext zu liefern. Thiel seinerseits räumte ein, er habe sich nach dem 11. September 2001 ausführlich mit dem Koran beschäftigt und gewundert, an wie vielen Stellen das Abschlachten der Ungläubigen gefordert werde. Angesichts der anhaltenden Terroranschläge und der Barbarei des IS forderte er eine Reformation des Korans. Das war keine Satire, kein Witz, sondern Ernst. Der Disput mit Schawinski wurde so heftig, daß sich unzählige Zuschauer beschwerten. Während die Entgleisungen des Talkmasters folgenlos blieben, war Thiel beim Publikum untendurch. Nicht die Medien, sondern die Veranstalter und Fans ließen den „Nobel-Punk“ mit der Irokesenfrisur im Stich. Dem Sündenbock ist klar: „Wenn Menschen an eine Steinigung geraten, begeben sich sofort alle auf die Seite der Steinewerfer.“ 

Das ist schade, denn Thiel, 1971 in Bern geboren, ist einer der besten Satiriker der Schweiz. Und die politisch-korrekte Exklusio scheint noch tiefer zu wirken: Thiels Auftritte zeugen vom Hang des Künstlers zur diskursiven Verpflichtung auf den unsichtbaren „Feind“. 

Merke: Der politisch-korrekte Strippenzieher scheut den Meinungsaustausch, seine Waffe sind die suggestive Diskriminierung und die Schweigespirale. Dagegen hilft leider auch kein Humor.