© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/17 / 13. Januar 2017

Monopol auf einseitige Berichterstattung
Der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag als Stützpfeiler der „Willkommenskultur“
Dirk Glaser

Wie eine Studie der Hamburg Media School belegt, sind von 34.000 Presseartikeln zum Thema „Einwanderung“ und „Flüchtlinge“, die zwischen 2009 und 2015 bundesweit erschienen, 82 Prozent als „positiv konnotiert“ zu werten. Nur sechs Prozent hätten die verordnete „Willkommenskultur“ auch „problematisiert“.

Zu dieser der Selbstgleichschaltung trotzenden Minderheit hat der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag (sh:z) wenig beigetragen. Stattdessen füllten seine Redakteure emsig das Überlaufbecken der 19.000 Artikel, die allein 2015 mit Angela Merkel „Wir schaffen das!“ skandierten. Eine andere Position hätte die etwa eine halbe Million starke Leserschaft der 22 shz-Regionalblätter, von der Sylter Rundschau bis zum Ostholsteinischen Anzeiger, deren politischer Mantelteil in der Flensburger Zentralredaktion entsteht, inzwischen auch wohl nicht mehr erwartet. 

Denn der ab 1986 sukzessive aus der Fusion einst unabhängiger Regionalblätter geformte Monopolist fährt seit 2004 stur Richtung Einsparung, Entpolitisierung und Boulevardisierung. Unter diesen Umständen wandelte sich Zeitgeisthörigkeit zur Tugend, wie Ulrich Stock in seiner uneingeschränkt gültigen Blattanalyse „Weiche Themen, billige Texte“ bereits 2005 in der Zeit höhnte. Auf professionelle Standards wie Recherche und Nachdenken würde verzichtet, weil es primär darum gehe, provinzielle Wohlfühl-Identität zu stiften gemäß der Parole „Wie schön lebt man in Schleswig-Holstein“.

Von Fehleinschätzung zu Fehleinschätzung 

Um aus dem Ungeist dieses Anti-Journalismus die Migrations-PR an der Förde zu organisieren, stand seit 2014 Stefan Hans Kläsener bereit. Im Oktober 2015 löste er den in den Ruhestand verabschiedeten Chefredakteur Stephan Richter ab. Daß der in der WAZ-Gruppe aufgestiegene Diplom-Theologe bereits vorher das Wort „Kritik“ aus seinem Sprachschatz getilgt hatte, bewies er sogleich mit Leitartikeln zu der im Herbst 2014 anschwellenden Fremdeninvasion. 

Es hätten 2014, so wiegelte er forsch ab, von diesen Menschen ja nur 8.000 Schleswig-Holstein erreicht, nicht mehr als die Einwohnerzahl der nordfriesischen Kleinstadt Leck. Und 2015 erwarte man lediglich 20.000. Am Ende wurden es bis zum Herbst 2016 flächendeckend mindestens 75.000 – fast zehnmal Leck. Eine peinliche Fehleinschätzung, der Dutzende folgten. So frohlockte Kläsener nach dem Essener AfD-Parteitag im Juli 2015, als Frauke Petry Bernd Lucke entmachtete, die „Partei der Migranten-Feinde“ habe sich jetzt selbst erledigt. Was gut sei, denn „Deutschland braucht keine Alternative“.

Auch die Kölner Horrornacht Silvester 2015 irritierte die migrationsfreundliche Redaktion kaum. Das seien zwar unerfreuliche Übergriffe, aber sie hielten sich im Rahmen des „Sexismus“, wie ihn jeder Karneval mit sich bringe, kommentierte Redakteurin Kathrin Emse. Kläsener selbst titelte am 6. Januar 2016 in trotziger Realitätsverweigerung: „Es waren keine Flüchtlinge“. Meinungspluralismus ist Kläseners Sache nicht. Der einzige redaktionsinterne Querkopf, der Kolumnist Wolfgang Bok, mußte daher seinen Hut nehmen, nachdem er am 14. Februar 2016 in einer fulminanten Philippika im shz-Organ Schleswig-Holstein am Sonntag die „zerstörerische Flüchtlingspolitik“ geißelte und den Rücktritt der „zum Schaden des deutschen Volkes“ agierenden Bundeskanzlerin forderte.

Soweit es „Vorurteile über Ausländer“ auszuräumen gilt, greift Kläsener gern auf pseudowissenschaftliche „Studien“ der Bertelsmann-Stiftung zurück. Oder auf die üblichen Rechtsextremismus-Forscher wie den Berliner Politologen Hajo Funke, der sich über AfD und Pegida wie bestellt empört: „Rassistische Rattenfänger“ (Schleswiger Nachrichten/SN vom 22.10.2015). Dem 80jährigen Satiriker und shz-Kolumnisten Hans Scheibner ist dieser akademisch aufgepeppte Deutschenhaß Anlaß genug, Eliminationsphantasien auszuleben und „AfD, NPD und diese Pegida-Typen“ auf den Mars schießen zu wollen.

Bis die dort landen, ist jedoch der autochthone Steueresel mit infantilen Aktionen bei der Stange zu halten. Etwa mit der Kampagne „Willkommen in Schleswig-Holstein“: Jugendliche Flüchtlinge lernen Deutsch mittels shz-Lektüre. Nach dem Vorbild „Junger Pioniere“ in der SED-Presse bekunden die flugs zu „Neubürgern“ umgetauften Illegalen enthusiastisch ihren Lernwillen (SN vom 19.07.2016). Wie der 13jährige Kolsin aus Ghana, der eigens deswegen nach Pinneberg gekommen zu sein scheint. Denn seine „Flucht“ motiviert er mit Ghanas Hitze, die ihn in der Schule behindert habe. Im kühleren Norden lerne er leichter und unter Heimweh leide er auch nicht, da Eltern und Geschwister sich ebenfalls in Deutschland wohlfühlen.

Auf die Willkommenskultur folgt die Trump-Hetze

Welch disziplinierende Wirkung stetige Agitation auf die Kollektivpsyche ausübt, meldet die Lokalredaktion der SN (07.06.2016) aus Fahrdorf an der lieblichen Schlei, wo Besserverdiener mit Blick aufs Wasser wohnen, und neuerdings auch syrische Familien, denen man für geschätzte 400.000 Euro zwei moderne barrierefreie Häuser gebaut hat.

Als sich dagegen in der Bürgerversammlung zarter Protest erhob, erstickten ihn dank journalistischer Stimmungsmache optimal konditionierte Gutmenschen mit shz-Phrasen, die zwischen Appellen an die „humanitäre Pflicht“ und Drohungen mit sozialer Ausgrenzung wegen „Fremdenfeindlichkeit“ changierten. 

So wenig wie seine Kanzlerin sah sich der islamophile Hobbyhistoriker Kläsener, der den mittelalterlichen iranischen Gelehrten Avicenna zum geistigen Vater des Abendlandes kürt und dreist behauptet, die Türken 1683 vor Wien seien doch nur eine Gefahr für Europas „dekadenten Adel“ gewesen,  durch die Terrorakte des letzten Sommers zum Kurswechsel genötigt. 

In seinem Leitartikel zum Massenmord auf der Promenade von Nizza kommt darum der Islam nicht vor. Verantwortlich für 86 Tote war allein „das Böse“. Ebenso „plausibel“ erklärt er, warum die von ihm voreilig totgesagte AfD bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern die CDU deklassierte. Das sei irrational, denn: „Die Flüchtlingsfrage ist bereits weitgehend beantwortet“ (SN vom 05.09.2016).

Aus dieser Parallelwelt speist sich auch die Anti-Trump-Agitation des shz. Noch am Wahltag des 8. Novembers erteilte der Washington-Korrespondent dem US-Wähler „den Auftrag“: „Die Amerikaner wissen, wer Donald Trump ist und haben jetzt nur eine vertretbare Option: Dem Haß und der Hetze dieses Volksverführers eine klare Absage erteilen.“ Abermals eine Fehleinschätzung. 

Nach dem Desaster der „Willkommenskultur“ ist also erneut ein journalistisches Fiasko zu bestaunen – diesmal mit einseitiger Berichterstattung und Hetze gegen den neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten.