© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/17 / 13. Januar 2017

Frisch gepresst

Willkommensrufer. Es gibt keine Flüchtlingskrise, „es ist eine Wertekrise“, konstatiert die frühere Piraten-Chefin Marina Weisband. „Angst“ habe die gebürtige Ukrainerin nur „vor Bürgerwehren, die durch Städte marschieren, als sei es 1930“ oder „vor scharfen Granaten, die gegen Flüchtlingsheime geworfen werden“. In kurzen Meinungsbeiträgen schildern meist linke Autoren ihre Eindrücke im Jahr der Asylkrise. Die im Titel aufgeworfene Frage „Schaffen wir das?“ wird von den über 20 Autoren durchweg bejaht. „Es fühlt sich nach patriarchalischem Stammesbewußtsein an, wenn ich glaube, daß ich mehr Rechte auf meinen Ort habe, weil ich hier geboren bin“, schreibt die Schauspielerin Gabrielle Scharnitzky. Im Zeitalter der Völkerwanderung werde sich das aber grundlegend ändern. Und der in Afghanistan geborene Aarash Dadfar Spanta prangert Ausländerbehörden an, die mit den „vielfältigen Stufen des Aufenthaltsstatus“ Druck auf Asylsuchende ausüben würden. Das „Plädoyer für mehr Offenheit in der Flüchtlingspolitik“ ist also nicht mehr als ein „Refugees welcome“-Chor, in dem linke Autoren sich mit linken Forderungen zu überbieten versuchen. (ls)

Armin Fuhrer, Christian Nawrocki (Hrsg.): Schaffen wir das? Ein Plädoyer für mehr Offenheit in der Flüchtlingspolitik. Lau-Verlag, Reinbek 2016, broschiert, 220 Seiten, 16,90 Euro





Achtziger. Gelegentlich stolpert man bei den Erzeugnissen des Publikationsverfahrens „Books on Demand“ auf interessante Fundstücke. Eine solche literarische Perle ist der Roman „Etüde vom Reichtum“ des Frankfurter Journalisten Stefan Mangold. Mangold schildert die erotischen Jugendnöte eines kleinbürgerlichen Verhältnissen entstammenden Hornbläsers aus der Rückbetrachtung seines älteren Ichs. Dem bei Mädchen glücklosen Schüler steht ein reicher Privatier gegenüber, der sich seine Einsamkeit und Langeweile mit Escort-Prostituierten vertreibt. Der Erzähler wirkt wie Figur von Houellebecq, die Jugendschilderung kann es stellenweise mit der deutschen Pop-Literatur aufnehmen, die Bundeswehrschilderung ist eine schöne Ergänzung zu Sven Regeners „Neue Vahr Süd“. Interessant ist zudem, daß sich der Protagonist auf der Suche nach dem weiblichen Geschlecht in die Gefilde der marxistischen DKP verirrt, wodurch deren Innenleben der achtziger Jahre kritisch und detailliert geschildert wird. (cmw)

Stefan Mangold: Etüde vom Reichtum. Books on Demand, Norderstedt 2014, broschiert, 308 Seiten, 19,80 Euro