© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/17 / 27. Januar 2017

Medien und Politik im Anti-Trump-Modus
Nicht nur in Hysterie vereint
Hans-Hermann Gockel

In der ganzen Trump-Hysterie ist ein wichtiges Datum untergegangen: der 30. April 2017. Dann wird der amerikanische Präsident 100 Tage im Amt sein. Vorausgesetzt natürlich, Bild, Stern und Spiegel haben ihn bis dahin nicht schon wieder aus dem Weißen Haus geschrieben. Hundert Tage – vor Trump nannte man das eine Schonfrist. In Zeiten wie diesen muß man das besonders betonen, denn die Kollegen scheinen jedes Maß verloren zu haben. Sie glauben tatsächlich, sie hätten die Macht – und das Recht –, über das Wohl und Wehe des amerikanischen Volkes zu befinden. Nicht am deutschen Wesen soll diesmal die Welt genesen, sondern am deutschen Journalismus. 

Es war reichlich daneben, als in der Bild-Zeitung stand, Donald Trump sei ein Hochstapler und Soziopath. Es war noch mehr daneben, als Außenminister Frank-Walter Steinmeier in einem Wutanfall den künftigen amerikanischen Präsidenten einen „Haßprediger“ schimpfte – und die Moralapostel in den deutschen Redaktionsstuben das ohne zu murren durchgehen ließen. Daß die SPD-Generalsekretärin Katarina Barley noch heute verkündet: „Das ist das Letzte, was man an der Spitze eines so mächtigen Landes braucht“, wird den US-Präsidenten nicht jucken. Wie auch das Urteil des Spitzenkandidaten der Linkspartei, Dietmar Bartsch: „Mit Sexisten und Rassisten möchte ich nichts zu tun haben.“ Es ist anzunehmen – und durchaus tröstlich –, daß auch Donald Trump mit Herrn Bartsch wenig zu tun haben will.  

Dieses ganze Getöse, das Journalisten und Politiker eint, zeigt jedoch so deutlich wie nie zuvor, wie eng das mediale und politische Establishment in Deutschland auf breiter Front miteinander verwoben ist. Wovor hat dieser Klüngel eigentlich Angst? Vor einem Präsidenten, der Klartext redet und die Belange und Sorgen seiner Bürger in den Vordergrund stellt? „Wir werden nicht länger Politiker akzeptieren, die nur hohl reden, aber nicht handeln“, ist eine Aussage Trumps, an der man sich abarbeitet. Vielleicht hat man Angst vor dem eigenen Leser, dem Fernsehzuschauer, dem Wähler, der sich auch hier in Deutschland nicht länger bevormunden läßt.  

„Die Zeit für leeres Gerede ist vorbei.“ An diesem Satz aus seiner Antrittsrede wird man Donald Trump messen. Aber erst am 30. April – wenn er 100 Tage im Weißen Haus hinter sich hat. Wenn Bild, Spiegel, Stern und Co. aber aktuell so wild darauf sind, die Glaubwürdigkeit des politischen Personals zu bewerten – bitte schön: Angela Merkel und deren Amtseid drängen sich geradezu auf. Die Kanzlerin hatte mal geschworen, ihre Kraft dem „Wohle des deutschen Volkes“ zu widmen, seinen Nutzen zu mehren und Schaden von ihm zu wenden.






Hans-Hermann Gockel ist Journalist und Buchautor  und war Nachrichtenmoderator bei Sat.1 und N24