© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/17 / 27. Januar 2017

Reich gegen Schwerreich
Gentrifizierung: In London trifft der Verdrängungsprozeß aus attraktiven Stadtvierteln jetzt auch Wohlhabende
Richard Stoltz

Oben und Unten / Eng verbunden“. Oder auch:  „Arm oder reich, / wir sind gleich“. In London jedenfalls, beim Kampf gegen die sogenannte Gentrifizierung. Bald wird es auch anderwo soweit sein.

Noch vor kurzem glaubte man allerorten, diese Gentrifizierung, also die rapide Verteuerung der Wohnkosten in gewissen attraktiven Stadtvierteln, der forcierte Abriß alter, traditionsreicher Häuser und ihre Ersetzung durch luxuriöse „Wohnanlagen“ – all das sei ein Kampf „Arm gegen Reich“ oder, vielleicht besser: „Reich gegen Arm“. Doch diese Zeiten gehen offenbar ihrem Ende zu.

In den „schönsten Wohngegenden“ Londons jedenfalls – Covent Garden, Bloomsbury, Mayfair, South Kensington – hat sich das soziale Klima schon merklich verändert. Dort sind es nicht arme Untermieter, die sich neuerdings „gentrifiziert“, also weggeekelt und finanziell unter Druck gesetzt fühlen, sondern wohlhabende oder auch als „schwerreich“ geltende Villen- und Grundstücksbesitzer, wie sich etwa aus Leserbriefen an die Times schließen läßt.

In herzbewegender Weise wird da über Investoren aus dem arabischen Raum oder aus Fernost und ihre – nun wirklich schwerreichen – „Hintermänner“ geklagt, die drauf und dran seien, hochelegante und von der ruhmreichen Geschichte Großbritanniens gezeichnete Wohngegenden nebst zugehörigen Parkanlagen durch „unerträglich protzige“ Neubauten zu verunstalten und sie ihren bisherigen Bewohnern zu entfremden. Der Staat müsse unbedingt etwas dagegen tun. 

Wieder einmal zeigt sich: Die wichtigsten gesellschaftlichen Auseinandersetzungen der Neuzeit werden primär nicht von sozialen Differenzen und Zumutungen angetrieben, sondern von kulturellen. Der Verlauf der Gentrifizierung beweist es.