© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/17 / 03. Februar 2017

Eins, zwei oder drei?
AfD: Aufstellung der Landeslisten zur Bundestagswahl im Zeichen der „Affäre Höcke“ / Im niedersächsischen Landesverband brodelt es
Christian Vollradt

Allein oder im Team? Die Frage, wie die AfD zur Bundestagswahl im September antreten soll, muß der Bundesparteitag im April entscheiden. Zuvor soll jedoch per Onlinebefragung ein Stimmungsbild eingefangen werden. Dazu können die AfD-Mitglieder noch bis Sonntag mitternacht im Internet ihr Votum zu drei Fragen abgeben: a) Soll zur Bundestagswahl 2017 eine Person als Spitzenkandidat der AfD bestimmt werden? b) Sollen zur Bundestagswahl 2017 mehrere Personen als „Spitzenkandidatenteam“ der AfD bestimmt werden? Und c) Soll vor der Bestimmung des oder der Spitzenkandidaten durch den Bundesparteitag im April 2017 eine weitere Mitgliederbefragung zur Person des oder der Spitzenkandidaten durchgeführt werden?

„Nichts gesagt, wofür er sich schämen müßte“

Es ist kein Geheimnis, daß Bundessprecherin Frauke Petry eine Mehrheit für Antwort a) bevorzugt – mit sich als alleiniger Spitzenkandidatin. Ihre innerparteilichen Widersacher im Bundesvorstand – vor allem Co-Sprecher Jörg Meuthen sowie der Vize Alexander Gauland – waren es, die den Gedanken, mit einem Spitzenteam anzutreten, überhaupt erst ins Spiel gebracht hatten. Petry konnte sich in einem Interview mit dem Focus den Hinweis nicht verkneifen, der SPD habe die „Troika“ 1994 bekanntlich nicht gutgetan. Gauland dagegen verweist gerne auf den Umstand, daß es das Amt des Oppositionsführers ohnehin nicht gebe – genausowenig wie eine einheitliche Bundesliste. 

Dessen ungeachtet kann es angesichts aktueller Zustimmungswerte für die AfD als sicher gelten, daß sowohl Petry als auch Gauland dem nächsten Bundestag angehören. Der sächsische Landesverband wählte Petry am vergangenen Wochenende auf Platz eins der Landesliste zur Bundestagswahl. Die Bundessprecherin und Dresdner Fraktionsvorsitzende erhielt 79,1 Prozent der Stimmen. Weil sie ohne Gegenkandidat antrat, werteten Parteikreise dies als empfindlichen Dämpfer für die prominente Frontfrau der AfD. Zumal der Dresdner Richter Jens Maier, ein Vertreter des rechten Parteiflügels, auf Platz zwei der Landesliste gewählt wurde und trotz eines Gegenkandidaten mit nur 15 Stimmen weniger kaum schlechter abschnitt als Petry. Gegen Maier läuft zur Zeit ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung; er war bei Björn Höckes in die innerparteiliche Kritik geratener Rede (JF 5/17) als Vorredner aufgetreten. Ebenfalls am vergangenen Wochenende kürte die Brandenburger AfD ihren Vorsitzenden Gauland zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl. Der 75jährige erhielt 199 von 241 Stimmen. Auf Platz zwei folgt der Berliner Staatsanwalt Roman Reusch, gefolgt vom Landtagsfraktionsgeschäftsführer René Springer auf Platz drei.

Während Gauland beim Parteitag im brandenburgischen Rangsdorf seine Minderheitsposition im Bundesvorstand zum Fall Höcke bei aller Kritik an dessen Rede nochmals bekräftigte („Er gehört zur AfD. Er hat nichts gesagt, wofür er sich schämen müßte“), grätschte auf dem sächsischen Pendant die Basis beim Thema Aufarbeitung der Affäre dazwischen: Der Antrag des Landesvorstands, die Auswirkungen der Dresdner Rede Höckes für die AfD auf dem Parteitag offiziell zu thematisieren, wurde von einer Mehrheit abgelehnt. Dabei hatte Petry am selben Wochenende namens des AfD-Bundesvorstands ein Rundschreiben an alle Mitglieder der Partei verschickt, in dem sie ausführlich zum Thema Björn Höcke Stellung nahm. „Zu einer politisch reifenden Partei wie der AfD, die von wachsenden Wählergruppen ernst genommen werden will, gehört auch die bittere Erkenntnis, daß in dieser Rede nicht nur Sprengpotential für die Einheit der Partei, sondern insbesondere auch für das Demokratieverständnis der AfD enthalten ist“, schreibt die Parteichefin besorgt. Unter Hinweis auf frühere Äußerungen des thüringischen Landesvorsitzenden, die inner- wie außerhalb der Partei für Kritik gesorgt hatten, heißt es weiter: Man habe „Dutzende Veranstaltungsorte, Unterstützer und Spender verloren“ auch „der AfD wohlgesonnene Verbände ziehen sich zurück, und die Verankerung in der Gesellschaft wird dadurch immer schwieriger.“

Die von Petry vorgetragene Kritik der Mehrheit des Bundesvorstand richtet sich nicht nur gegen die der Partei von Höcke aufgezwungene öffentliche Debatte über das Verhältnis der AfD zur historischen Betrachtung des nationalsozialistischen Regimes, sondern auch gegen seine „Verächtlichmachung des Parlamentarismus“, indem er die AfD zu einer „Bewegung“ umdefinieren wolle. „Dieser Weg“, so heißt es in der E-Mail an die Mitglieder, würde die Partei „nicht nur unglaubwürdig machen, sondern mittelfristig auch ihrer demokratischen Legitimation berauben“.

Unterdessen sieht sich der niedersächsische AfD-Vorsitzende Armin-Paul Hampel vor der an diesem Wochenende in Hannover stattfindenden Aufstellungsversammlung für die Landesliste zur Bundestagswahl mit innerparteilichen Widerständen konfrontiert. Mehrere Kreisverbände hatten gefordert, vor der Versammlung einen Parteitag samt Neuwahl des Landesvorstands durchzuführen. Damit scheiterten sie jedoch am Landesschiedsgericht. Tatsächlich wird am Samstag ein Parteitag stattfinden; für die Dauer einer halben Stunde. 

Hampels innerparteiliche Gegner werfen ihm selbstherrliches Gebaren sowie mangelnde Transparenz vor. Der so Kritisierte sieht dagegen eine kleine Fronde von Quertreibern in Vorstand und Partei am Werk, die „nicht durch eigene Leistungen überzeugen“ könnten, sondern nur, indem sie „Personen, die ihnen mutmaßlich im Wege stehen, beschädigen“ wollten. Hampel will für Platz eins der Landesliste kandidieren.