© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/17 / 03. Februar 2017

Und dann und wann ein roter Elefant
Ämterrochade: Nach seinem Rückzug vom SPD-Vorsitz steht Sigmar Gabriel als Außenminister vor neuen Herausforderungen / Die größte davon heißt: Sigmar Gabriel
Paul Rosen

Neues Spiel, neues Glück: Sigmar Gabriel hat die Karten gemischt. Mit Martin Schulz soll die SPD doch noch die Bundestagswahl am 24. September gewinnen. Mit dieser und weiteren Personalverschiebungen bleibt der Niedersachse seinem Ruf als Zocker treu und hat seinen Koalitionspartner überrumpelt. 

Eines muß man dem Lehrer aus Goslar lassen, der das Amt des SPD-Chefs länger innehatte als jeder andere Nachfolger von Willy Brandt: Noch nie hat sich ein Vizekanzler und Juniorpartner in der Regierung so klar durchgesetzt wie Gabriel: von der Rente mit 63 bis zum Mindestlohn. Zugleich zähmte er seine Partei, rang ihr in der Energiepolitik einige Zugeständnisse Richtung Marktwirtschaft ab und ließ sie die dicke Kröte des unbeliebten Freihandelsabkommens Ceta mit Kanada schlucken. Das war Gabriels größter Erfolg, zugleich aber  ein Pyrrhussieg, denn beliebt machte sich der schwergewichtige Vorsitzende damit nicht, zumal frühere Kapriolen für Verdruß gesorgt hatten. Mal beschimpfte er Demonstranten als „Pack“, dann diskutierte er mit Pegida-Leuten. Da kamen seine Genossen nicht mehr mit. Und in der Öffentlichkeit bekam die SPD aufgrund der Pirouetten ihres Vorsitzenden auch beim Flüchtlingsthema ein Problem. „Die Leute glauben der SPD nicht mehr“, hieß es in einer vom Parteivorstand in Auftrag gegebenen Untersuchung. 

Umfragen hatten der SPD-Führung längst klargemacht, daß in der bisherigen Konstellation nichts mehr zu gewinnen gewesen wäre. Auch wenn man sich mit dem Verlust der Bundestagswahl und Gabriels Dauervizeregentschaft abgefunden hätte, einen Verlust der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen (wo im Mai gewählt wird) wollte die SPD-Spitze nicht riskieren. In einem taktischen Meisterstück zog Gabriel die Wende durch: Erst zwang er die zu lange zögernde Merkel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier als gemeinsamen Bundespräsidenten-Kandidaten zu akzeptieren. 

Danach konnte Gabriel in aller Ruhe seine Karten sortieren. Er übernahm das Außenministerium, wo die CDU/CSU Schulz erwartet hatte. Das kann jetzt böse ausgehen: Denn nicht nur im Fußball ist es schlimm, das Training auf eine andere Mannschaftsaufstellung des Gegners auszurichten. 

Kann Gabriel überhaupt Außenminister? Seine Probleme heißen Spontaneität und blitzschnell wechselnde eigene Positionen. Er kann über den amerikanischen Präsidenten Donald Trump herfallen und im nächsten Augenblick treuherzig versichern: „Unsere Hand sollte ausgestreckt bleiben.“ Zu Rußland und Wladimir Putin werden ihm gute Kontakte nachgesagt. Bei den Russen unvergessen ist sein Besuch als Wirtschaftsminister, den er während der schwersten russischen Bombenangriffe in Syrien durchzog. Die hemdsärmelige Art des Niedersachsen dürfte Kontakte zu Trump und auch zu Putin vielleicht erleichtern. 

Die Wirtschaft                 läuft einigermaßen

Aber als Außenminister kann er nicht mehr den roten Elefanten im Porzellanladen spielen, wie er es bei einem Besuch im Iran tat. Dort verlangte er von den Mullahs die Anerkennung des Existenzrechts Israels. Es kam zu Gesprächsabsagen. In Saudi-Arabien forderte er lautstark die Freilassung des inhaftierten Bloggers Raif Badawi. Die Saudis fühlten sich brüskiert, gaben den diskreten Bemühungen zur Freilassung des Oppositionellen einen Korb. Fraktionschef Thomas Oppermann riet Gabriel, sich in einer „dienenden Rolle“ einzurichten, was diesem schwerfallen dürfte. 

Elegant beantwortete Gabriel die Nachfolgefrage im Wirtschaftsministerium. Brigitte Zypries war schon Justizministerin und bereitete sich als Parlamentarische Staatssekretärin in Gabriels Ministerium auf den Ruhestand vor. Sie hat Kabinettserfahrung, als Justizministerin hatte sie sich im Gegensatz zum heutigen Minister Heiko Maas (SPD) Respekt in Fachkreisen erworben. Die Wirtschaft läuft einigermaßen, die Helotisierung der jungen Generation durch Dauerpraktika sowie Teilzeit- und Zeitverträge mit Ausbeutungscharakter ist bisher kein Thema. Fachleute sehen in der Energieversorgung Katastrophen heraufziehen. Sobald diese eintreten, kann Zypries Bauernopfer werden. Auch das dürfte Gabriel im Hinterkopf gehabt haben.