© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/17 / 03. Februar 2017

Der Kreml hält sich bedeckt
Rußland: Trumps Präsidentschaft nährt Spekulationen über eine Annäherung beider Staaten – was ist dran?
Thomas Fasbender

Seit Donald Trumps Wahlsieg blühen Spekulationen über ein bevorstehendes russisch-amerikanisches Tauwetter: Aufhebung der Sanktionen, ein baldiges Treffen beider Präsidenten, kreative „Deals“ zu den Krisen in der Ukraine und Syrien, ein gemeinsames Vorgehen gegen den Kalifatstaat und Entspannung an der Nato-Ostgrenze.

Neben den Optimisten gibt es die weniger euphorischen Beobachter, zu denen auch die russische Regierung gehört. Moskau hält sich Trump gegenüber bedeckt – nach einer kurzen, spürbaren Erleichterung unmittelbar nach den Wahlen Anfang November. Zwar wurde Barack Obama, dessen Amtszeit einen Tiefstand in den Beziehungen markierte, in Moskau mit reichlich viel Häme in den Ruhestand verabschiedet. 

Trumps Primat der Innenpolitik beruhigt Kreml

Was jedoch nicht bedeutet, daß der Kreml die Stirn des Neuen jetzt mit Vorschußlorbeeren kränzt. Wenn es darum geht, das Phänomen Trump zu verstehen, sein Handeln vorherzusagen, sind die russischen Analysten in der gleichen Lage wie ihre Kollegen auf der ganzen Welt.

Zudem gibt es objektive Faktoren, die einer raschen Annäherung im Wege stehen. Das ist einmal das angeblich von einem ehemaligen britischen Geheimdienstler verfaßte, seit Monaten kursierende Dossier zu Trumps ebenso angeblichen Rußland-Kontakten. Dessen Echtheit mag noch so umstritten sein, der Rufmord, der ihm unterstellt, von Moskau erpreßbar zu sein, zeigte längst Wirkung. Jede schnelle Bewegung in Richtung Rußland, vor allem ein Verzicht auf die Sanktionen, würde die Diskussion um derartige Erpreßbarkeiten wieder hochkochen lassen.

Ein weiterer Grund ist die Fronde prominenter Senatoren in Trumps eigener Partei, angeführt von John McCain und Lindsey Graham. Nicht nur beim Thema Rußland, wo sie auf die Beibehaltung des harten Kurses drängen, macht diese Gruppe dem neuen Mann das Leben schwer. 

Um so unwahrscheinlicher ist es, daß Trump sich nur um der Entspannung willen noch einen Konflikt mit diesen nicht ungefährlichen Gegnern einhandeln will. Zumal der Kreml in Trumps Augen längst nicht die Bedeutung hat wie noch für Obama – aus Trumps Sicht  sitzt der Herausforderer in Peking.

In Moskau hält man große Stücke darauf, daß die Agenda der neuen US-Administration unter dem Primat der Innenpolitik steht. Überhaupt gilt dort als entscheidendes Merkmal des Machtwechsels, daß er das Ende der Demokratieexport- und Regimechange-Politik markiert. Hinzu kommt, daß die Aufhebung der US-Sanktionen für Rußland gar keine wesentliche Bedeutung hat. Deutsche Geschäftsleute in Moskau beklagen inzwischen unisono, daß die US-Wirtschaft ihre Marktanteile in fast drei Sanktionsjahren signifikant gesteigert hat. Offensichtlich haben amerikanische Unternehmen keine nennenswerten Probleme beim Erhalt von Ausnahmegenehmigungen.

Sanktionspolitik als größter Prüfstein 

Dazu würde passen, daß nach Moskauer Lesart das Thema Sanktionen beim ersten Telefonat der beiden Präsidenten gar keine Rolle spielte. Da beide Seiten offensichtlich damit leben können, ist auch in Moskau nachvollziehbar, daß Trump mit einer überstürzten Abkehr von der Sanktionspolitik jetzt nicht noch ein Faß aufmachen will. Auch Angela Merkel dürfte ihm dazu geraten haben. Fallen die US-Sanktionen, kommt die Kanzlerin in arge Bedrängnis. Sie wäre dann nicht mehr in der Lage, der EU ihre harte Linie aufzudrücken. Schon kündigte der slowakische Premier Robert Fico an: „Wenn die USA die Sanktionen abschaffen, dann macht die EU rasch das gleiche.“

Daß Trump sehr wohl das Verhältnis zu Moskau im Auge hat, beweist seine Volte nach der urspünglich angekündigten Einrichtung von Sicherheitszonen in Syrien. Solche Zonen, die durch westliches Militär garantiert werden müßten, gelten vielen Experten als Einstieg in eine militärische Konfrontation mit Rußland. In der zweiten, unterschriebenen Fassung des Dekrets einen Tag später war dann davon keine Rede mehr.