© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/17 / 03. Februar 2017

Das Desaster kommt erst nach den Wahlen
HSH Nordbank: Die Risiken für die Rettung der einstigen Landesbank liegen bei den Steuerzahlern in Hamburg und Schleswig-Holstein
Bruno Hollnagel

Es ist die typische Art verfehlter Politik: Bei Problemen wird auf Zeit gespielt (Eurokrise), oder die Regierenden und ihre Experten verfallen in Aktionismus. Wobei sie Tatkraft beweisen wollen, aber dabei oft genug das Falsche tun. So auch bei der HSH Nordbank AG, die 2003 durch den Zusammenschluß von Hamburgischer Landesbank und der Landesbank Schleswig-Holstein entstand. Die Hansestadt führte damals eine Dreierkoalition (CDU/Schill/FDP) unter Ole von Beust, in Kiel regierte ein rot-grünes Kabinett unter Heide Simonis.

Gescheiterte Wahnidee von CDU und SPD

Die Megafusion sollte Kosten sparen und über einen späteren Börsengang der HSH Nordbank sogar Millionen oder gar Milliarden in die öffentlichen Kassen spülen. Doch das Gegenteil war der Fall. Was ist geschehen? Die HSH Nordbank hat sich nicht zum ersten Mal verzockt. Schon zur Subprime-Krise 2007 hatte das Institut faule Kredite in seine Bücher genommen. Die Schieflage wurde so extrem, daß ein Untergang unmittelbar bevorstand. Hamburg und Schleswig Holstein gaben jeweils 1,5 Milliarden Euro an Steuergeldern und eine Bürgschaft von weiteren zehn Milliarden Euro. Dieser Rettungsschirm verhinderte 2009, daß die HSH Nordbank unterging.

Letztlich erwiesen sich die faulen Kredite als weniger gefährlich als angenommen. Der Rettungsschirm konnte auf sieben Milliarden Euro verkleinert werden. Doch die norddeutsche Regionalbank wollte auch der größte Schiffsfinanzierer sein – die HSH Nordbank vergab im großen Stil Schiffskredite. Der weltweit boomende Schiffbau führte zu einem rasanten Anstieg der Transportkapazitäten auf den Weltmeeren. Die Überkapazitäten überfluteten die Märkte. Die Charterraten sanken unter die Selbstkosten. Schiffseigner konnten die Kredite nicht mehr bedienen, wodurch viele Schiffskredite notleidend wurden.

Zugleich verloren die Schiffe an Wert – und damit auch die Sicherheiten für Kredite. Die Zahlungsfähigkeit der Reeder litt erheblich. Beispielsweise geriet die Norddeutsche Reederei Schuldt in Liquiditätsprobleme. So entwickelte sich die Bilanz der HSH Nordbank katastrophal. Erneut drohte ein Konkurs. Das rief die Europäische Zentralbank (EZB) und die deutsche Politik auf den Plan – ihre „Lösung“: Der Rettungsschirm wurde 2013 wieder auf zehn Milliarden Euro erhöht. Eine Zweckgesellschaft (landläufig Bad Bank genannt), die „AöR Portfoliomanagement“ kaufte der HSH einen Teil der faulen Kredite ab. Kredite, die niemand haben wollte und die mehr Risiken als Chancen in sich bargen. Der Verkauf an diese Anstalt öffentlichen Rechts besserte die Bilanz der HSH Nordbank zwar auf, das benötigte Geld für den Aufkauf der Kredite lieh sich die Zweckgesellschaft aber von Banken. Weil die übernommenen Kredite (als Sicherheiten) nicht werthaltig genug waren, gaben die Banken nur unter der Bedingung Geld, daß die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein haften. Da die Länder das Geschäft machen wollten, willigten sie ein. Interessant dabei ist: Die Haftungssummen und damit verbundenen Risiken erscheinen (rechtlich korrekt) in keinem öffentlichen Haushalt.

Nutznießer des Geschäfts ist die HSH Nordbank, weil sie einen Teil ihrer faulen Kredite los ist. Nutznießer sind auch die Finanziers der Zweckgesellschaft, die ein sicheres, durch die öffentliche Hand verbürgtes Kreditgeschäft gemacht haben. Die Risiken liegen aber nun bei den Bundesländern – sprich: den Steuerzahlern von Hamburg und Schleswig-Holstein.

Das Problem ist: Nach Auffassung des Finanzexperten Peter Nippel von der Universität Kiel, stehen diesen Risiken kaum Chancen gegenüber. Die Situation für die Steuerzahler erscheint aussichtslos: Die grüne Finanzministerin Monika Heinold erklärte im Januar im Kieler Finanzausschuß: Es wäre „eventuell sinnvoller“ gewesen, die HSH Nordbank im Oktober 2015 abzuwickeln. Ihr Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) hatte eingeräumt, daß die gegebenen Garantien nicht ausreichen könnten. Er erwarte Verluste von bis zu 16 Milliarden Euro für beide Länder.

Glaubt man dem Bonner Bankenprofessor Martin Hellwig, kann es aber auch noch viel teurer werden. Er rechnet mit Verlusten von bis zu 20 Milliarden Euro. Hilfe vom Bund oder der EU können die Länder gemäß Anfragen von Medienvertretern nicht erwarten. Damit rechnet auch Hamburgs Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) nicht. Das wären dann 25 Elbphilharmonien, die die Steuerzahler aus Hamburg und Schleswig-Holstein das HSH-Desaster kosten könnten – ohne daß sie dafür auch nur ein hypermodernes Prestigeobjekt bekämen.

Welchen Sinn haben die Rettungen von angeblich systemrelevanten Instituten überhaupt? Eine sofortige Insolvenz wäre wohl billiger gekommen und hätte das „System“ bei einer vernünftigen Konkursverwaltung wahrscheinlich auch nicht abstürzen lassen. Außerdem wäre eine frühzeitige Lösung näher an den marktwirtschaftlichen Prinzipien gelegen, nach denen ein Marktversager den Markt zu räumen hat. Das gilt gleichermaßen auch für die Politik.